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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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wurden oder ihre Garage hatten, denn sie waren ja wohl nicht immer am Werk. Jedenfalls hatten sie im Stock nichts zu tun.
    Die Fluglöcher hatten eher die Funktion von Automatenschlitzen oder von Löchern in einem Steckkontakt. Die Bienen näherten sich ihnen, magnetisch angezogen, steckten ihre Rüssel hinein und entleerten ihr gläsernes Bäuchlein von dem Nektar, mit dem es angefüllt war. Dann wurden sie abgestoßen mit einer Kraft, die einem Abschuß glich. Daß es bei diesem Hin und Her trotz den hohen Fluggeschwindigkeiten ohne Karambolagen abging, war ein besonderes Meisterstück. Obwohl es sich um einen Vorgang mit einer großen Menge von Einheiten handelte, vollzog er sich in vollkommener Exaktheit; es mußte eine Zentrale oder ein zentrales Prinzip geben, das ihn steuerte.
    Eine Reihe von Vereinfachungen, Abkürzungen und Normungen des natürlichen Vorganges war offenbar. So war zum Beispiel alles ausgespart, was mit der Wachsgewinnung zu tun hatte. Es gab weder kleine noch große Zellen noch irgendwelche Anlagen, die mit der Verschiedenheit der Geschlechter zu tun hatten, wie denn überhaupt der ganze Betrieb in einem perfekten, aber völlig unerotischen Glanz strahlte. Es gab da weder Eier noch Puppenwiegen, weder Drohnen noch eine Königin. Wenn man durchaus an einer Analogie festhalten wollte, so hatte Zapparoni nur den Stand geschlechtsloser Arbeitswesen gebilligt und zur Brillanz gebracht. Auch in dieser Hinsicht hatte er die Natur vereinfacht, die ja bereits im Drohnenmord einen ökonomischen Ansatz wagt. Er hatte von vornherein weder Männchen noch Weibchen, weder Weisel noch Ammen auf den Plan gesetzt.
    Wenn ich mich recht entsinne, wird der Nektar, den die Bienen aus den Blüten saugen, in ihrem Magen zubereitet und macht verschiedene Veränderungen durch. Auch diese Mühe hatte Zapparoni seinen Geschöpfen abgenommen und durch einen zentralen Chemismus ersetzt. Ich sah, wie der farblose Nektar, der in die Anschlüsse gespritzt wurde, sich in einem System von gläsernen Röhren sammelte, in denen er allmählich die Farbe änderte. Nachdem er sich zunächst durch einen Gelbstich getrübt hatte, wurde er strohfarben und erreichte den Boden in einem prächtigen Honiggelb.
    Die untere Hälfte des Standes diente offenbar als Tank oder Speicherraum, der sich zusehends mit leuchtendem Honig anfüllte. Ich konnte die Zunahme an den Maßstäben verfolgen, die in das Glas geritzt waren. Während ich mit dem Feldstecher hier und dort die Büsche und den Wiesengrund bestrich und dann den Blick auf die Stände zurücklenkte, wuchs der Vorrat um mehrere Teilstriche.
    Vermutlich wurde die Zunahme und überhaupt der Betrieb nicht von mir allein beobachtet. Ich unterschied eine weitere Art von Automaten, die vor den Ständen pendelten oder auch verharrten, wie es Vorarbeiter oder Ingenieure in einer Werkstatt oder auf einem Bauplatz tun. Sie hoben sich von den Schwärmen durch ihre rauchgraue Färbung ab.
    13
    Ich hatte bei der Teilnahme an dem Getriebe ganz und gar vergessen, daß ich auf Zapparoni wartete. Doch war er gegenwärtig als unsichtbarer Chef. Ich fühlte die Macht, auf die sich das Schauspiel gründete.
    Im tieferen Bereich der Technik, dort, wo sie Bann wird, fesselt weniger das Ökonomische, ja nicht einmal der Machtcharakter, sondern ein spielerischer Zug. Es wird dann deutlich, daß wir in einem Spiel befangen sind, in einem Tanz des Geistes, den keine Rechenkunst erfaßt. Das Letzte an unserer Wissenschaft ist Ahnung, ist schicksalhafter Ruf, ist reine Figuration.
    Der spielerische Zug wird deutlicher in den Miniaturen als im Gigantenwesen unserer Welt. Den groben Augen können nur Massen imponieren, vor allem, wenn sie in Bewegung sind. Und doch verbergen sich in einer Mücke nicht weniger Organe als im Leviathan.
    Das war es, was mich an Zapparonis Versuchsfeld fesselte, so daß ich, wie ein Kind die Schule, Zeit und Ort vergaß. Ich dachte auch nicht daran, daß es vielleicht gefährlich war, denn öfters pfiffen die Gebilde wie Geschosse an mir vorbei. Wie sie in Büscheln von den Ständen ausstrahlten, um sich als blitzende Gewebe über den bunten Flor zu werfen, und dann zurückschossen, bremsten, im dichten Schwarm verharrten, aus dem durch unhörbare Rufe, durch unsichtbare Zeichen im schnellen Gleichtakt eine der Sammlerinnen nach der anderen zitiert wurde, um ihre Ernte abzuliefern – das war ein Schauspiel, das sowohl faszinierte wie hypnotisierte, den Geist einwiegte. Ich wußte

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