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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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das heißt, die sowohl den Gästen als auch dem Wirt das Beste bietet, gleicht einem Altar, auf dem sowohl dem Dionysos als auch dem Merkur geopfert werden muß. Das setzt zwei sich widersprechende Fähigkeiten der dort Bediensteten voraus, nämlich eine animierende und eine registrierende. Es liegt im Sinn der Einrichtung, daß der Betrieb sich einer Orgie nähert, die jedoch nicht völlig erreicht werden darf. Sonst würde der Gewinn im Fest verbraucht werden. Er würde mit dem Feuer in Rauch aufgehen. Es muß vielmehr Posten geben, an denen der Konsum beobachtet und überwacht wird, und einen dieser Posten besetzte Madame Stephanie, damals noch einfach Stephanie.
    Scharen von Habitués und Reisenden aus aller Herren Ländern blieb sie so in Erinnerung. Auch damals trug sie schon dunkle, doch tief dekolletierte Kleider, die mit blitzenden Knöpfen bestückt und an der Brust und den Ärmeln mit Spitzen besetzt waren. Der Rock war durch eine »vertugade« gebauscht. Sie hatte damals goldblonde Haare, wie es verlangt wurde. So stand sie Nacht für Nacht im Trubel hinter dem langen Bartisch vor der Spiegelwand. In weiten, rot drapierten Sälen wurde getanzt, getrunken, gesungen und gelacht. Die bunte, kreisende Bewegung unter den großen Lüstern stieg bis in die Logen, die ein leichter Rauch verschleierte. Die Musik wurde skandiert vom Knall der Pfropfen, zerrissen von Schreien wie von Pfauen und Papageien. Die große Feier wiederholte sich allnächtlich, und es gab keinen Fremden von einiger Bedeutung, der hier nicht sein Opfer darbrachte. Hier sah man Stephanie, vom Anfang bis zum Morgengrauen stehend, die Arme leicht aufgestützt, mit schönem und immer freundlichem Gesicht. Der Tisch trug herrliche Früchte in großen Schalen und Batterien von Flaschen mit goldenen und silbernen Hälsen, von denen, wenn sie geöffnet wurden, der Schaum hinunterträufelte. Hier wurde bestellt, dort gab es Differenzen, hier war ein Stammgast namentlich zu begrüßen und dort ein Zuruf zu parieren, alles mit Heiterkeit. So wissen Artisten durch ein Lächeln und eine gefällige Bewegung zu verbergen, wie schwer die Nummer ist.
    Was aber ging hinter der Stirne dieses heiteren Wesens vor? Das zu erfahren hätte manchen erstaunt von denen, die sie gern geküßt hätten. Er hätte Ziffern gefunden wie in einer Rechenmaschine, nichts als Ziffern und Namen oder Physiognomien, die insofern interessierten, als sie mit den Ziffern verknüpft waren. Dieses Gehirn war zuverlässig wie die Bank von England oder wenigstens wie das eines im Casino von Monte Carlo ergrauten Croupiers. Es kannte Soll und Haben, als ob sie mit dem Stichel eingegraben wären, wie hoch das Fest auch stieg.
    Auf solchen Posten gibt es, was die Ziffern angeht, die beiden Möglichkeiten der Abweichung nach oben und nach unten, die beide schädlich sind. Es gibt die Möglichkeiten des Vergessens, des Übersehens, der irrigen Ab- und Zurechnung. Das sind Fehler, die auch dem Besten unterlaufen, vor allem, wenn die Wogen hoch gehen, von anderem ganz abgesehen. Es gibt ferner diskrete Dinge wie die des Kredits und ähnliche. Es gibt Versuchungen, zahlreicher als die des heiligen Antonius. Doch möge es genügen zu berichten, daß Stephanie sich nicht nur von Jahr zu Jahr auf ihrem Posten zu festigen und in Respekt zu setzen wußte, sondern daß sie auch nicht unbeträchtlich zurücklegte. Dazu kamen die guten Beziehungen.
    Um so zu reüssieren, waren, wie gesagt, zwei scharf sich widersprechende Fähigkeiten die Voraussetzung. Stephanie verfügte in seltener Weise über beide, und darauf beruhte ihr Erfolg. In unserer Zeit hört man viel Schlimmes über die Gespaltenheit und auch viel Dummes, da sich die Spaltung als eines der Grundprinzipien der Welt nicht weniger im Guten als im Bösen manifestiert. Wir dürfen bei einem großen Erfolge wie dem Madame Stephanies auf einen Widerspruch der Gaben und Eigenschaften schließen, der Überraschendes bewirkt. Darauf beruht die Kraft des Unvermuteten. Jedermann weiß, daß ein Witz desto besser zündet, je ernsthafter er vorgetragen wird. Aus diesem Grunde finden wir selten einen guten Komiker. Aus dem gleichen Grunde wird die Katze, die Mäuse fangen will, nicht wild herumspringen, sondern ein Bild des Friedens darbieten. Und so auch mußte Madame Stephanie in einer Welt florieren, die der Liebe und den heiteren Genüssen gewidmet war. Sie hatte die gefällige Erscheinung, die sanfte Beflissenheit, die diese Welt verlangt. Dahinter

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