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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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und ungebrochener Humanität. Dazu die Exzesse; man mußte sich wieder einmal durchpusten. Mir ging viel verloren mit ihm.
    Heinrich zählte zu denen, die immer noch etwas anderes im Kopf haben, selbst wenn sie gehenkt würden. Wenn er einen Lehnsmann zum Gefecht ermuntern wollte: »Alter Bursche, ich komme, weil ich deine Weine probieren will.«
    Als ich vor dem Palais stand, fiel mir ein Bündel von Anekdoten ein. In einem Dorf, in dem Heinrich abstieg, um zu dinieren, befahl er, daß man den Klügsten der Einwohner hole, damit der ihn beim Essen unterhielt. Man brachte einen alten Bauern namens Gaillard, worunter man bekanntlich einen lustigen Bruder versteht. Nachdem der König seinen Namen gehört hatte, hieß er ihn sich gegenüber setzen und fragte:
    »Kennst du den Unterschied zwischen Gaillard und Paillard (also dem Wollüstling)?«
    »Sire – es ist nur ein Tisch, der die beiden trennt.«
    Der König lachte. »Teufel, ich ahnte nicht, daß es in einem so kleinen Dorfe so witzige Leute gibt.«
    Doch genug davon. Diese und andere Erinnerungen gedachte ich aufzufrischen – so den Genuß, den mir Federn wie die Bassompierres und d'Aubignés geschenkt haben. Das ist alter Burgunder, im Fasse nachgereift.
    Meine Erwartung war um so stärker, als es hieß, daß sich in diesen Räumen das Mobiliar bis ins Detail erhalten habe – bis zur Suppenschüssel für das berühmte Sonntagshuhn.
    *
    In der Hoffnung, hier zwei, drei von der Moderne ungetrübte Stunden genießen zu können, öffnete ich die Tür. Sie war unverschlossen, doch schon im Flur trat mir ein bärtiger Kustos entgegen und versperrte mir mit ausgebreiteten Armen den Weg, indem er mich auf die rechtsdrehende Besuchsordnung verwies. Ich mußte also durch die Hintertür gekommen sein. An sich schien das unbedeutend, da ich offenbar der einzige Besucher war. Wie sollte da ein Gedränge entstehen wie vorm Großen Palais, wo die Schlange manchmal bis zur Hauptstraße reicht? Ich wagte also einen bescheidenen Einwand, doch der Wärter beschied mich auf wenig höfliche Weise, es handle sich hier nicht um die Anzahl, sondern um das Prinzip: »rechtsdrehend, ohne Gegenverkehr«. Gegen solche Geister, die beim Militär als Pinnenzähler gefürchtet werden, läßt sich nichts ausrichten.
    Ich hätte nun das Hauptportal suchen und dort den Eintritt zahlen müssen, um in der Regel zu sein. Aber der Vormittag war verdorben, denn die Aussicht auf die Gesellschaft des Zerberus in dem leeren Gebäude behagte mir wenig; sie konnte sogar gefährlich sein. Vermutlich war ich seit langem der erste Besucher, und ich hatte ihn im Schlaf oder bei einem Vergnügen gestört. Überhaupt halte ich diese Museumswärter für den Prototyp des Banausen, der, von Schätzen der Kunst und der Natur umgeben, sich langweilt wie kaum ein anderer. Vielleicht hatte er auf den ersten Blick meine Abneigung gespürt.
    *
    Zum Glück war dem Museum direkt gegenüber ein kleines Bistro. Auch hier fehlten die Gäste, obwohl im Innern »La Paloma« gespielt wurde. Vorm Eingang luden drei, vier Tische und aus Draht geflochtene Stühle zum Verweilen ein. Der Ort kam mir gelegen; hier wollte ich Luft schöpfen. Ich ließ mich nieder, nachdem ich einen der Sonnenschirme, die zwischen den Tischen standen, gespannt hatte. Als ob ich damit ein Zeichen gegeben hätte, erschien ein Kellner, der sich nach meinen Wünschen erkundigte. Ich bestellte einen starken Kaffee.
    Im Innern wurde jetzt, begleitet vom Zischen der Espressomaschine, »La Venezia« gespielt. Die Sonne schien behaglich, während ich das Palais betrachtete. Damals hatte es weit vor den Mauern gestanden und mußte befestigt gewesen sein. Wem mochte es gehört haben? Gewiß einem von der Liga, vielleicht einem Gefährten des Balafré. Bestimmt keinem Protestanten, sonst hätte es die Bartholomäusnacht nicht überlebt. Für solche Händel gilt ein Vers von Calderón, den ich mir, weil ich ihn zu meinem eigenen Leid erfuhr, gemerkt habe:
    Denn in dieser Art Gefechten
    Sind die Sieger stets die Rechten,
    Und sind Schurken, die verlieren.
    Dann kam der Kellner und servierte; mich wunderte, daß er zuvor ein Deckchen auflegte. Das war hier wohl nicht der Brauch, doch mochte es eine Entschädigung für die rüde Begrüßung durch den Kustoden sein. Meine Stimmung hellte sich auf.
    *
    Überhaupt war die Art, in der sich der junge Mann bewegte und lautlos bediente, angenehm. Ich hatte auf den ersten Blick empfunden, daß unsere Begegnung mehr als

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