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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Leichen gehen. Unter anderem erzählte er eine Szene aus seiner Jugend, in der er, halb betrunken, halb sich betrunken stellend, seine Frau mit einem Freund belauscht hatte, wobei er vergeblich den fait accompli erwartete.
    Kirchhorst, 28. Januar 1945
    In der Kirche, wo Trauergottesdienst für Ernstel war. Es werden morgen zwei Monate, seitdem der Junge gefallen ist. Für mich wird er immer zu dem gehören, was man mitnehmen kann: im innersten Schrein. Omnia mea mecum porto – der Spruch ist gültiger denn je.

DER FRIEDE, 1945
    7
    Seit langem hat der Menschengeist gespürt, daß es der Änderung bedarf. Doch ist die menschliche Natur derart beschaffen, daß Einsicht ihr zur Vollziehung des Notwendigen nicht genügt – es ist vor allem der Schmerz, der sie belehrt.
    So reichte das theoretische Bemühen nicht hin, die Einheit, die der Geist erkannte und forderte, auch in den Territorien zu vollziehen. Das spiegelt sich in der Entwicklung der Prinzipien von 1789 wider, die geistig siegten, doch mit den Waffen scheiterten. Die Heere, die damals aufgebrochen waren, begleitete ein übernationaler Auftrag, der wohl verstanden wurde und ihren Marsch begünstigte.
    Aus diesem Grunde haben sich auch in allen Ländern geheime Kapellen zur Verehrung Napoleons erhalten – schien doch in diesem Fürsten der alte Traum der großen und einen Monarchie sich zu verwirklichen. Doch wurde in seinen Kriegen, in seiner Meteorenlaufbahn mehr der Same der neuen Freiheit ausgestreut als ihre Frucht geerntet – und junge Staaten blühten aus der Erschütterung hervor. Dem folgte die Erstarrung, und der Wiener Kongreß erhärtete die Grenzen im Sinne der alten Legitimität.
    Die zweite große Möglichkeit, Europa zu schmieden, nachdem es glühend gewesen, bot der Friede von Versailles. Doch leider vermehrte er, anstatt zu neuen Ordnungen zu führen, die Quellen des Konflikts. Er blieb, als Bau betrachtet, Stückwerk, und kaum läßt sich sagen, daß er den Krieg beendete. Der Erste und der Zweite Weltkrieg hängen zusammen wie zwei Feuerkontinente, die eine Kette von Vulkanen mehr verbindet als voneinander trennt Der Teil des Friedensvertrages, der dem Ganzen gewidmet war, blieb teils rhetorische Fassade, teils leere Theorie.
    Die Konzeption des Völkerbundes konnte, obwohl unklar gefaßt, für alle fruchtbar werden, wenn sie als oberste Idee auf jede Einzelfrage einwirkte. Das freilich hätte die Schöpfung einer Spitze mit großen Befugnissen sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Verwaltung vorausgesetzt. Statt dessen entstand ein Scheingebilde von friedensrichterlicher Art, das nur ein Spiegel, ein machtloses Forum für Streitigkeiten war, die üppig wucherten – denn während es dem Friedensbau an tragenden Elementen fehlte, erstaunte er durch eine Fülle von Einzelheiten, die die neuen Grenzen, die den Besiegten auferlegten Lasten und die Sicherungen scharfsinnig regelten. So ging es diesem Frieden wie allen Werken, in denen zu wenig Herz und allzuviel Verstand regiert: es strahlte kein Segen von ihm aus, und auch die Sieger wurden seiner nach kurzem Jubel kaum jemals froh.
    Auch wirkte er unheilvoll, vergiftend auf die innere Politik der Staaten ein, die er als zweiten Ranges behandelte: er gab dem Niederen, der Rache, dem Bluthaß billige Nahrung und lieferte Wasser auf die Mühlen der Demagogie. Rückblickend erkennen wir, wie winzig jeder Vorteil, der durch diesen Frieden gesichert wurde, im Verhältnis zum Schaden war, den er für alle stiftete. So war der Anlaß, aus dem der zweite Krieg entbrannte, die Zugehörigkeit von Danzig – und Städte dieser Größe gingen dann in einer einzigen Nacht in Flammen auf.
    Der Friede von Versailles hat die Grenzen nur spürbarer gemacht. Im Mißverhältnis der Wirtschaft, der Währungen, des Handels nicht minder als in der nach kurzer Ermattung noch drohenderen Rüstung verriet sich der wachsende Zerfall der Ordnung des Kontinents, der immer hoffnungsloser sich in seine Staaten spaltete. Dann tauchten unverkennbar die Zeichen des zweiten Krieges auf – die Menschen schreckend, doch zugleich auch zwingend mit schicksalhaftem Bann.
    Noch hätte in dieser Lage ein Akt geschehen können, der der Einberufung der Generalstände von 1789 geglichen hätte, und es wird immer ein Ruhmestitel des amerikanischen Präsidenten bleiben, daß er seine Stimme in diesem Sinn erhob. Freilich hätte auch eine solche Konferenz den Gang durchs Feuer vielleicht verzögert, nicht erspart. Für Änderungen,

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