Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
Rücken zugekehrt, andere sagen, er habe sich bei ‚zwei‘ umgedreht, um mir in den Rücken zu schießen, und ich sei ganz knapp rechtzeitig gewarnt worden, sodass ich ihm zuvorkommen konnte.“
Alina schluckte schwer. „Und was sagst du?“
„Ich sage, es ist schon so lange her, und wir sollten die Toten ruhen lassen. All die Toten. All die Schatten, die dich in deiner Unschuld nicht anrühren dürfen. Du bist viele Jahre zu spät in mein Leben getreten, Alina. Ich bin längst verloren.“
Und sie wusste, dass sie ihn verlor, dass sie dieses Streitgespräch verlieren würde. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie es überhaupt angefangen hatte. Sie hatte ihn quasi angefleht, sie zu heiraten! Warum war sie bitterlich enttäuscht, schämte sich aber nicht? Handelte so eine Frau? Oder war sie nur ein dummes starrsinniges Mädchen, das einfach das Wort Nein nicht hören konnte, ohne es um jeden Preis in ein Ja verwandeln zu wollen?
„Du kannst unmöglich recht haben, Justin“, widersprach sie entschlossen. „Wir sind zwei Menschen, das ist alles. Wir sind nicht nur Werkzeuge unserer Herrscher. Das stimmte in dem Moment nicht mehr, als du mich küsstest. Wir brauchen nur eins zu tun – ganz neu anfangen, heute. Dann zählt das Gestern nicht mehr.“
„Und morgen wird nie kommen?“ Er lächelte traurig und wissend. „Genau das habe ich gestern Abend versucht mir selbst einzureden, aber im hellen Tageslicht sah ich, dass ich mich geirrt hatte. Ich habe Menschen getötet, Alina. Aus guten Gründen, aus weniger guten und auch, ohne die Gründe zu erfragen, weil ich mich einfach nicht mehr damit befassen wollte, warum einem Leben ein Ende gesetzt werden sollte. Ich habe Dinge getan, die auch die blumigsten Worte nicht schönreden, als Taten eines Ehrenmannes, eines Soldaten, darstellen können. Ich wurde zum Attentäter für die Krone, und nicht für König und Vaterland, sondern aus egoistischen Gründen, weil ich versuchte, dafür eine Begnadigung zu erlangen, dass ich meinen Gegner im Duell tötete.“
Alina blinzelte die Tränen fort, die in ihren Augen brannten. Ja, sie verlor ihn. Ohne ihn je gehabt zu haben. Und dieses Mal für immer. „Aber das ist Vergangenheit, und die Vergangenheit ist vergangen.“
Langsam schüttelte er den Kopf. „Es ist zu spät. All diese Männer zu töten hat auch einen Teil meines Selbst getötet. Ich kann nicht vor der Wahrheit fortlaufen, vor dem, was ich bin, aber ich will verdammt sein, wenn ich dich damit belaste.“
Sie wischte sich die Tränen fort und warf trotzig den Kopf zurück. „Meinetwegen kannst du mir das zehntausend Mal sagen, Justin, aber ich glaube kein Wort. Bis du es eines Tages auch nicht mehr glaubst. Warum solltest du Novak töten? Wenn Kaiser Franz ihn tot sehen will, wird der Mann sterben. Du willst es tun, um mich zu retten; dabei ist offensichtlich, dass du nie wieder töten willst. Du hättest mich nicht mit deinem Geld, deinem Besitz überschütten müssen. Du hättest mir die Sache mit meinem Onkel nicht erzählen müssen, der, davon bin ich überzeugt, ein Feigling und Dummkopf war. Und gestern Abend … du hättest weitermachen können, denn du wusstest, ich hätte es zugelassen. Justin Wilde ist ein guter Mann. Und du bist der Einzige, der nicht an ihn glaubt. Aber ich glaube an ihn. Und ich werde nicht aufgeben, bis er das verstanden hat.“
Dieses Mal lief sie nicht vor ihm davon. Sie wandte sich einfach um und ließ ihn da im Mondlicht stehen. Vielleicht, dachte sie, lässt der weise, alte Mann im Mond ein wenig Weisheit auf ihn hinabscheinen.
10. KAPITEL
N ach einer nahezu schlaflosen Nacht kam der Morgen viel zu früh, und Justin ging hinunter zum Fluss, wo er sich mit dem kalten Wasser wusch und anschließend die Kleider anlegte, die man ihm gegeben hatte. Wigglesworth rang entsetzt die Hände, musste sich aber dennoch damit zufriedengeben, Luka zu versorgen.
Justin rasierte sich nicht und erlaubte auch Wigglesworth nicht, ihn zu rasieren, was diesen zu weiterem Händeringen veranlasste. Auch bürstete er sich nicht sein Haar im üblichen Stil, sondern fuhr sich nur mit allen zehn Fingern durch die schwarzen, vom Waschen feuchten Locken. Dann stieg er in die Hosen aus schwarzem Leder und zog die flachen weichen Wildlederstiefel an, die bis unters Knie reichten. An dem weiten, weißen Hemd schloss er nicht alle Knöpfe, sondern ließ den Kragen offen stehen und steckte es in die Hose, ehe er sich die rote Schärpe um
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