Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
immer wieder, dass er vorübergehend den Verstand verloren haben musste, dass die Ereignisse des vergangenen Tages, seine Auseinandersetzung mit Phineas Battle, ihn stärker mitgenommen hatten, als er zugeben wollte. Hatte er nicht einfach Zuflucht in einem Paar warmer Arme gesucht, hatte sich selbst voller Verzweiflung daran erinnern müssen, dass zumindest ein Teil seines Selbst noch lebendig und zu fühlen imstande war. Er sagte sich, dass er kein kaltblütiger Mörder war, sondern nur ein Mann, der tat, wozu er sich gezwungen sah, und dass er eventuell, wirklich nur eventuell, ein klein wenig Glück verdiente.
Doch am Morgen, als sein Kopf schmerzte und ein widerwärtiger Geschmack sich in seinem Mund breitmachte, als er mit schmerzhaft hämmerndem Herzen erwachte aus dem Albtraum, der ihm wieder Erichs Gesicht gezeigt hatte, da wusste er, er verdiente die Hölle, zu der er sein Leben gemacht hatte.
Er wusch und kleidete sich mit gehöriger Sorgfalt an, zahlte seine Rechnung und schlenderte, lässig seinen Stock schwingend, hinaus auf die Straße; ein Londoner Gentleman, der hier und da blasiert die Auslagen eines Schaufensters musterte. Und die ganze Zeit über war er auf der Hut und hielt Ausschau, ob er beobachtet würde.
Wieder spielte er das Spiel, das er seit acht Jahren spielte. Und hasste. War er seitdem je sorglos, ohne Furcht vor heimtückischen Angriffen, eine Straße entlanggegangen? Hatte er ohne Berechnung gelächelt? Hatte er in den letzten acht Jahren je einfach nur leben können?
Nur zwei einfache Menschen, hatte sie gesagt …
Genug davon!
Er konnte keine Verfolger feststellen, und sollte er sich irren, nun, dem würde er sich unterwegs widmen. Er ging zurück zum Gasthof, ließ seinen Braunen satteln und machte sich auf den Weg nach Basingstoke, wo Alina und Luka, Wigglesworth und Brutus inzwischen eingetroffen sein müssten. Er würde Lucas Paines Fragen mit geschickten Lügen ausweichen und Lady Nicole ein paar Teile ihrer eleganten Garderobe abschmeicheln, damit Alina etwas Hübsches anzuziehen hatte, ehe er sie, seine Beinahe-Braut, weiterschickte nach Malvern Hall, das zwei ganze Tagereisen entfernt lag.
Er hatte versprochen, sich ihr dort anzuschließen, wenn sein „Geschäft“ mit Novak erledigt war.
Auch das war natürlich gelogen; die letzte Lüge, die er ihr erzählen würde. Oder die letzte, die er sich selbst erzählte? Denn schon als sie ihm das erste Mal in die Augen geschaut hatte, schien sie dort einen Teil seines Selbst gesehen zu haben, das er längst tot geglaubt hatte. Sie hatte ihm nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Vertrauen geschenkt und glaubte fest daran, dass er irgendwie besser war, als er selbst dachte.
Hinderte ihn wirklich seine Vergangenheit, all das Wunderbare anzunehmen, das sie ihm bot? Oder war es seine Furcht davor, dass er niemals sein könnte, was sie in ihm sah?
Wie vieler Schatten aus der Vergangenheit bedurfte es, um eine Seele in ewige Dunkelheit zu tauchen, ohne jede Hoffnung auf Erlösung?
12. KAPITEL
N icole, Liebes, was hast du vor?“
Alina musste ein Kichern unterdrücken, als sie sah, wie Lucas Paine, Marquis of Basingstoke, seine Gemahlin aus dem Wohnwagen zu ziehen versuchte, der mitten in der Auffahrt des prachtvollen Besitzes stand. „So köstlich dein Anblick von hier aus auch ist, denke ich doch, dass es nicht vorgesehen ist, mit dem Hinterteil voran aus diesem Ding auszusteigen.“
„Ich wollte nur noch einen letzten Blick hineinwerfen“, erklärte Nicole, nachdem er sie an der Taille umfasst und zu Boden gesetzt hatte. „Erstaunlich, Lucas; da drin ist ein ganzer Haushalt, dabei ist der Raum nicht einmal so groß wie mein Ankleidezimmer. Alina, sagen Sie, wie können drei Menschen darin schlafen?“
„Leider nicht besonders bequem, muss ich sagen. Meine Zofe schnarcht, als würde sie dafür bezahlt. Aber leider müssen die Fahrer nun zurück zu ihrem Lager. Stefan?“
Der junge Mann, der vorgab, die Marquise nicht zu beachten, obwohl er sie heimlich mit Blicken verschlang, trat vor und verbeugte sich vor Alina.
„Ach, um Gottes willen“, wehrte sie ab, eher missmutig als geschmeichelt, „wir sind tagelang zusammen unterwegs gewesen; es ist lächerlich, dass du nun mit der Verbeugerei anfängst.“
„Ja, Mylady“, entgegnete Stefan, „und wir standen im Mondlicht. Ich werde den Augenblick mein Leben lang wie einen Schatz in meinem Gedächtnis bewahren.“
„Vergiss ihn besser“, sagte Alina mit
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