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Ein Akt der Gewalt

Ein Akt der Gewalt

Titel: Ein Akt der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryan David Jahn
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danach auf den Oberschenkel. Dann würde er sie küssen, und seine Hand würde über ihre Brust streichen – rein zufällig natürlich, er ist doch kein Schwein. Und es würde sich auch nicht falsch anfühlen. Sie würde seine Hände in ihre nehmen und sagen: »Komm, gehen wir ins Schlafzimmer.«
    »Meinst du das ernst?«, würde er fragen.
    Sie würde nicken.

5
    Da im Wohnzimmer Licht brennt und das Fenster geschlossen ist, fühlt sich Diane Myers vom eigenen Spiegelbild angestarrt, aber gleichzeitig kann sie auch durch die Erscheinung hindurch auf den beleuchteten Hof blicken.
    Es ist, als habe sie ihren eigenen Geist vor Augen.
    Ihre Frisur ist gepflegt, die Brüste werden gestützt durch die Spitzenbordüre ihres Negligés. Ihre Schultern sind breiter, als ihr lieb ist, aber sie hat sich daran gewöhnt, und ihre Arme mag sie sogar. Sie sind schlank und doch kräftig, und obwohl sie mittlerweile ihre Vierziger erreicht hat, ist ihre Haut immer noch milchweiß und samtig weich. Sie trägt nur einen Hauch von Make-up.
    Diane sieht auf die Uhr an der Wand, ein dämliches Ding, das Larrys Mom ihnen geschenkt hat und dessen Zifferblatt keine Zahlen trägt, sondern Tierbilder. Immer wenn die Stunde schlägt, gibt das jeweilige Tier Laut.
    Es ist jetzt acht Minuten nach vier. Klar doch. Hat sie nicht gerade Schweinegrunzen gehört, und ist das Schwein nicht das 4-Uhr-Tier? Noch zweiundfünfzig Minuten, und sie wird das Muhen der Kuh hören. Eine Stunde später, um sechs, kräht der Hahn.
    Sie sieht wieder auf ihr Spiegelbild, auf die Geistererscheinung, die zehn Meter über dem Boden des Hofs zu schweben scheint und den Blick zurückwirft, die auf ihrem eigenen Geistersofa schwebt, inmitten eines geisterhaften
Wohnzimmers. Ist ihr Geisterbild glücklicher als sie? Körperlos zu sein und dennoch geistig wach, hätte seine Vorteile. Wände und verschlossene Türen wären kein Hindernis mehr. Keine Rückenschmerzen mehr und kein verspannter Nacken. Keine Fehlgeburten, die bereits Namen trugen. Ja, Diane ist ziemlich sicher, dass sie damit durch ist, sich von Larry ein Baby zu wünschen. Vielleicht ist es auch nur gut so, dass sie nie eines hat austragen können.
    Was ist nur aus ihrer hoffnungsvollen jugendlichen Liebe geworden? Was ist aus der Gewohnheit geworden, stets Hand in Hand zu gehen? Aus der Art, wie sie einander so oft unvermittelt in die Augen gesehen und durch ebendiesen visuellen Kontakt ihre Liebe zueinander bekräftigt haben? Jetzt hat es den Anschein, als seien jene beiden vollkommen andere Menschen gewesen.
    Hinter ihr wird die Eingangstür geöffnet.
    Sie steht auf und dreht sich um.
    Larry kommt herein. Man muss sich ihn ansehen mit seiner fetten Wampe und dem Billardkugelschädel, der schimmert wie vergammelter Käse und umrahmt ist von einer Halbtonsur aus grauen Haarbüscheln. Man muss sich klarmachen, dass er inzwischen sogar zu fett geworden ist für das XL-Bowlinghemd (es ist gerade mal ein Jahr alt), das zugeknöpft so sehr spannt, dass man seinen fleischigen Bauch sieht, wo der Stoff sich nicht mehr dehnen kann und fast zu reißen droht.
    Grunz , genau. Die Stunde des Schweins, genau.
    Larry nickt ihr zu und stellt seine Bowlingtasche an der Tür ab.
    »Hallo, Schatz«, sagt er. »Sieht nach Regen aus. Hast du den Wetterbericht gehört?«
    »Wo bist du gewesen?«
    »Wie wär’s mit einem Hallo?«

    »Die Bowlingbahn ist schon seit zwei Stunden geschlossen«, sagt sie, ohne auf seine Worte zu reagieren. »Ich habe auf dich gewartet.«
    »Ist doch nicht meine Schuld. Keiner hat dich drum gebeten.«
    »Wo bist du gewesen?«
    »Behandle mich nicht wie einen kleinen Jungen, der länger weggeblieben ist, als er darf. Nur weil wir keine Kinder haben, brauchst du mich noch längst nicht wie eins zu behandeln.«
    Schweigen. Diane ist gekränkt und böse, aber ahnt, dass Larry mit seinen Worten ebendas bezweckt hat: sie zu kränken und zu erzürnen. Um den Streit in eine andere Richtung zu lenken. Aber sie wird nicht zulassen, dass es so weit kommt. Noch einmal fragt sie: »Wo bist du gewesen?«
    Er seufzt, schließt entnervt die Augen, öffnet sie. Da ist sie wieder, die allzu vertraute Geringschätzung. Es macht sie traurig.
    »Die Jungs und ich haben uns hinterher noch ein paar Drinks gegönnt«, sagt Larry.
    Eine Lüge.
    »Du und Thomas und Chris?«
    Larry nickt. »Genau.«
    »War’s lustig?«
    »Ganz okay«, sagt er achselzuckend. Es war eine Gelegenheit, sich ein wenig die Zeit zu vertreiben,

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