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Ein Akt der Gewalt

Ein Akt der Gewalt

Titel: Ein Akt der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryan David Jahn
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aussucht. Der Anblick des Splitters, der da aus seiner Stirn hervorspringt,
wird seinen Kopf zu einem solchen Brennpunkt gemacht haben.
    Plötzlich wird es Nathan furchtbar übel. Er muss in den Laden gelangen, bevor er das Bewusstsein verliert. Er muss hinein und einen Krankenwagen rufen. Oder er ist ein toter Mann.
    Er sieht sich nochmal nach einem Gegenstand um, mit dem er die Schaufensterscheibe zertrümmern könnte. Aber wieder findet er nichts. Er blickt zur Straße. Noch ein Auto fährt vorbei – diesmal ein Cadillac Fleetwood, gesteuert von jemandem, der so klein ist, dass Nathan sich nicht erklären kann, wie es ihm gelingen soll, übers Armaturenbrett zu schauen -, und der Fahrer sieht herüber zu Nathan, und Nathan winkt, aber der Wagen wird nicht langsamer. Nathan ist sogar sicher, dass er beschleunigt wird. Und dann ist er verschwunden. Nathan muss die Glasscheibe mit bloßen Fäusten zerschlagen. Er ist doch sowieso schon von diesen verdammten Schnittwunden zerfetzt und glaubt kaum, dass der Schaden durch eine kaputte Schaufensterscheibe nennenswert verschlimmert wird.
    Er holt aus und schlägt zu. Die Scheibe gibt nach und reagiert mit einem seltsamen Laut wie eine singende Säge, schwingt zurück, wackelt und rüttelt die Spiegelbilder von Nathan und der Straße hinter ihm wie ein Pferd, das unliebsame Fliegen vom Fell abschütteln will.
    Mondlicht wird von dem Glassplitter in seiner Stirn reflektiert. Er sieht es in der vibrierenden Scheibe. Wie tief mag der Splitter stecken? Ragen weitere zehn Zentimeter in seinen Kopf hinein, tief ins Gehirn? Hat er sich eine Lobotomie per Autounfall eingehandelt?
    Heilige Scheiße.
    Er lässt sich auf Hände und Knie fallen, wobei schneidende Schmerzen seinen Körper durchzucken, weil die kleinen
Glasscherben, die bereits unter seiner Haut stecken, noch tiefer ins Fleisch gepresst werden, und erbricht sich auf den Gehsteig. Sein Körper verkrampft sich bei jedem Schwall, sein Mund sperrt, und sein Körper entleert sich in drei spastischen Kontraktionen.
    Dann ist es vorüber.
    Er atmet schwer, spuckt und schnäuzt auf den Gehweg.
    Er wird hier draußen sterben. Daran führt kein Weg vorbei.
    Und dann sieht er es: das Reklameplakat mit dem Metallrahmen, das auf dem Gehweg steht. Offenbar gibt es einen Frühlingsausverkauf für Fahrräder. Offenbar bekommt man auf jedes Fahrrad im Laden zwanzig Prozent Rabatt. Auf jedes verdammte Fahrrad.
    Nathan rafft sich auf. Hinkt zum Schild.
    War es etwa schon die ganze Zeit da? Dumme Frage. Es muss ja da gewesen sein.
    Er packt es mit blutigen Händen, wirbelt seinen Körper herum, in Richtung Schaufenster, und lässt los. Im Moment des Loslassens macht er noch eine halbe Drehung und stürzt wieder auf den Gehsteig.
    Er sieht nach oben.
    Der Metallrahmen mit dem Plakat taumelt in niedrigem Bogen durch die Luft, trifft das Fenster und fällt dann abrupt zu Boden wie eine Zeichentrickfigur, die gerade gemerkt hat, dass sie schon längst über den Felsrand hinaus ist und nichts als Luft unter sich hat. Es klappert ein wenig bei der Landung und bleibt dann still.
    »Verflucht nochmal«, sagt Nathan. »Scheiße!«
    Er wird hier draußen sterben.
    Doch dann splittert das Fenster. Es beginnt mit einem haarfeinen Riss an der Stelle, auf die der Metallrahmen des Plakats getroffen ist, dann splittert es weiter, die Risse verbreiten
sich wie ein Spinnennetz in alle Richtungen, und in Windeseile ist das ganze Fenster überzogen davon. Bald kann man schon nicht mehr hindurchsehen, so milchig ist es vor lauter Sprüngen. Stücke, kleine Stücke brechen heraus, wie Schneeflocken, und fallen leise klirrend zu Boden.
    Nathan hat sich hinübergeschleppt, greift nach größeren Scherbenstücken und bricht sie zur Seite, ohne sich darum zu kümmern, ob ihre scharfen Kanten seine Hände noch mehr zerschneiden – er will am Leben bleiben -, und robbt in den dunklen Laden, kommt hoch, fällt über Fahrräder, kriecht weiter.
    Er sieht ein Telefon an der Wand hinter dem vorderen Verkaufstresen. Stolpert darauf zu, nimmt den Hörer ab, hält ihn an sein blutiges Ohr und wählt die Vermittlung.
    »Hallo«, sagt er. »Hilfe. Ich hatte einen Autounfall und bin tot. Bitte. Bitte.«
    Er schafft es sogar noch, seinen Standort mitzuteilen, bevor er besinnungslos zusammenbricht. Dann sind da nur noch die schwarze Nacht, die ihn umfängt, und das Geräusch, mit dem sein Körper zu Boden sinkt.
    Danach Stille.

10
    Frank geht von den Hobart Apartments in

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