Ein Akt der Gewalt
Scheiße, ich mach dich kalt dafür.
Alan tritt dazu, stellt sich auf die Zehenspitzen, um seinen Kaffee oben auf der Zelle abzusetzen, und tippt dem Mann auf die Schulter.
Der Kerl dreht sich um und funkelt Alan aus tief in sein teigiges, pockennarbiges Gesicht versenkten Augen an. Er wird von Eiterbeulen geplagt, von denen über seinem linken Augenlid eine bald aufplatzen zu wollen scheint. Alan beschließt, zuerst auf diese Beule zu schlagen, sollte es zu Handgreiflichkeiten kommen. So ein Treffer dürfte ziemlich schmerzvoll sein.
»Siehst du nicht, dass ich am Scheißtelefon bin?«, schnauzt Eiterbeule, sieht aber im selben Moment Alans Uniform und wird bleich. Er bedeckt die Sprechmuschel mit der Hand. »’schuldigung, Officer. Hab gar nicht gemerkt, dass Sie es sind.«
»Kennen wir uns?«
»Äh … nein. Ich meine nur, ich wusste nicht, dass Sie ein Cop sind. Ein Polizist, mein ich.«
»Cop geht schon in Ordnung. Hab ich dich nicht schon mal hinter Gitter gebracht?«
»Nein, Sir.«
»Sicher?«
Ein Nicken.
»Also, du sprichst an meinem Telefon.«
Eiterbeule ist verblüfft. »’schuldigung, was?«
»Brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagt Alan. »Häng einfach nur auf und verzieh dich.«
»Ich versteh nicht ganz.«
»Leg auf«, sagt Alan, »und verzieh dich.«
Er lässt zwei Finger durch die Luft marschieren, um die Aufforderung zu unterstreichen.
Eiterbeule nickt, und sein Mondgesicht wabbelt wie Gelatine. Den Mund kriegt er nicht zu. Er legt auf, ohne sich zu verabschieden. Dann sieht er Alan an, als erwarte er weitere Instruktionen.
»Hau schon ab.«
Eiterbeule nickt. »Okay.« Er dreht sich um und entfernt sich auf dem Gehsteig. Er blickt über die Schulter, aber nur ein einziges Mal, und Alan findet, dass ihm Angst ins Gesicht geschrieben steht, sonst nichts. So soll es sein.
Alan nimmt seinen Kaffeebecher und betritt die Zelle. Er nimmt den Telefonhörer, wischt ihn an seiner Uniform ab. Er glaubt nicht, dass Eiterbeulen ansteckend sind, aber der Kerl war ein völlig verwanzter Drecksack. Nachdem das Telefon abgewischt ist, steckt er die Münze in den Geldschlitz und wählt.
»Charlie. Alan. Was liegt an?«
Er nimmt einen kräftigen Schluck Kaffee und spuckt ihn beinahe wieder aus, so bitter schmeckt er. Doch er schafft es, ihn hinunterzubefördern, und spürt ihn im Magen wie einen Stein.
»Er hat was? Dieses Arschgesicht. Wo sollen wir ihn treffen? Sag ihm, ich bin da.«
Alan knallt den Hörer auf und tritt aus der nach Pisse stinkenden Zelle. Er betrachtet den Kaffee in seiner Hand wie etwas von einem anderen Stern und schleudert ihn gegen die Backsteinmauer direkt vor sich. Der Becher zerplatzt und verspritzt die Flüssigkeit in alle Richtungen. Und auf Alan.
»Gottver dammt !«
Er tritt mehrmals gegen die Zelle, packt sie, will an ihr rütteln, aber sie ist im Beton verankert. Er betritt sie erneut, schnappt sich den Hörer und lässt ihn immer wieder auf die Gabel krachen, bis nichts mehr von ihm übrig ist als drei zertrümmerte Stücke Plastik, die von Drähten zusammengehalten werden.
»Gottverfluchter Pissdreck!«
Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar, neigt den Kopf nach rechts, um den Hals knacken zu lassen, und dann nach links, wodurch ein Geräusch entsteht, als ließe man eine Spielkarte an Fahrradspeichen knattern.
Vor ungefähr sechs Monaten beschlossen Alan und Charlie, einen Drogendealer aus der Gegend um ein wenig Bares zu erleichtern. Sie gingen davon aus, dass der Typ nur ein mickriges Ding laufen hatte, nahmen an, er hätte fünf oder sechs Leute, die für ihn arbeiteten und seinen mittelmäßigen Shit an Nigger und Spics verhökerten. Sie gingen von vierzig Dollar extra im Monat aus. Gefahrenabgabe, wie sie es nannten. Doch als Alan und Charlie sich den Kerl vornahmen, den sie für den Boss hielten, quiekte der wie ein Schwein: Oh, mein Gott, bitte, Leute, schickt mich bitte nicht ins Gefängnis, ich hab sechs Kinder (sechs verdammte Kinder!), für die ich sorgen muss, oh, Mann, so eine Scheiße, ich sag euch, was ihr wissen wollt, ich schwör’s, Scheiße, ich werd ja reden.
Bis zu dem Moment hatten Alan und Charlie keine Ahnung gehabt, dass dieser bekloppte Mistkerl etwas wusste, worüber es sich zu reden lohnte. Aber natürlich ließen sie sich drauf ein. Wieso auch nicht? Jemand kommt mit einer interessanten Geschichte, und das hört man sich doch bis zum Schluss an. Die Story führte sie zu einem dicken Fisch, dem sie am nächsten Tag
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