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Ein Akt der Gewalt

Ein Akt der Gewalt

Titel: Ein Akt der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryan David Jahn
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war ein Fehler.«
    »Ein Fehler ? Du bist erst vor einer Stunde aus ihrem Bett gestiegen.«
    Larry erwidert nichts. Er steht stumm da, sieht sie an und senkt den Blick.
    »Wie lange geht das schon?«
    »Himmel, Diane«, sagt er. »Ich weiß …«
    »Verdammt nochmal, wie lange?«
    Larry sieht wieder in die Ecke hinüber.
    »Ich weiß nicht«, bringt er heraus. »Vielleicht sechs Monate.«
    Diane beißt die Zähne zusammen und sagt: »Du Dreckskerl.«
    Sie sieht sich um nach etwas, das sie werfen oder mit dem sie zuschlagen könnte. Was ihr in die Hände fällt, ist ein Porzellanpferd – nur ein dämliches Porzellanpferd -, noch so ein Geschenk von Larrys seniler Schlampe von Mutter, die den ganzen Tag rumsitzt, Kataloge wälzt und nutzloses Zeug bestellt, das sie an Verwandte weiterverhökert. Larry ahnt, was als Nächstes passieren wird, denn er weicht hastig zurück und hebt die Arme zum Schutz vor den Körper. Diane reißt das Porzellanpferd hoch über den Kopf und schleudert es von sich. Sie wirft mit voller Kraft.
Das Pferd schießt durch die Luft und dreht sich dabei, erst Kopf, dann Schwanz, dann wieder Kopf voran, zieht eine schnurgerade Linie, ohne die Andeutung eines Bogens. Es fliegt gezielt auf Larrys beschissenes Ehebrechergesicht zu, aber er duckt sich, und es prallt an die Wand hinter ihm, zerkratzt die Farbe, zersplittert in tausend Stücke, von denen sich einige in den Putz eingraben.
    »Sechs Monate sind kein Fehler«, schreit sie. »Einmal ist ein Fehler. Sechs Monate sind eine Beziehung.«
    »Es tut mir leid«, sagt Larry nochmals und in einem Ton, der Diane reizt, noch etwas nach ihm zu werfen. Und diesmal würde sie ihn nicht verfehlen. Sie wirft jedoch nichts. Sie spricht.
    »Das reicht mir nicht«, sagt sie.
    Dann dreht sie sich wortlos um und geht durch den Flur zum Schlafzimmer. Als sie ihm all ihre Vermutungen an den Kopf warf, hoffte sie insgeheim, er würde irgendeine Erklärung liefern, auf die sie nicht gekommen war, eine Erklärung, die all ihre Verdächtigungen und Sorgen und Ängste aus der Welt schaffte. Bis zur letzten Sekunde hatte sie sich das erhofft. Aber als es von ihren Lippen war und sie seinen Gesichtsausdruck sah, wusste sie es. Sie hatte Recht, und es gab eben keine harmlose Erklärung, wie sehr sie es sich auch gewünscht hätte. Es gab nur die Wahrheit.
    »Wohin gehst du?«, fragt Larry.
    »Meine Sachen packen.«

17
    Peter sitzt neben seiner Frau auf der Couch. Bettie hat auf der anderen Seite neben Anne Platz genommen, lässt Weißwein in einem Rotweinglas kreisen und schaut dabei zu. Dann hebt sie das Glas an die Lippen und trinkt den Rest. Dabei hinterlässt sie am Glasrand einen Schmierfilm aus Lippenstift.
    Ron steht am Wohnzimmerfenster und sieht hinaus.
    Peter fragt sich, was Anne wohl täte, wenn er sich entscheiden würde, sie wegen Bettie zu verlassen. Er fragt sich, was Ron tun würde. Ron zählt zu den Männern, die behaupten, wegen einer solchen Sache nicht viel Aufhebens zu machen – wenn eine Frau sich trennen will, dann ist es eben so; es gibt andere. Aber Peter argwöhnt, dass Rons Gefühle doch etwas komplexer sind. Er fragt sich, ob Bettie erwägen würde, Ron zu verlassen. Bestimmte Momente, die sie miteinander teilten, schienen über reinen Sex hinauszugehen. Sie sind ihm irgendwie bedeutsam vorgekommen.
    Er fragt sich, ob es den anderen auffallen würde, wenn er ein paar Minuten verschwände, um den Whiskeyfleck auf dem Teppich zu beseitigen.
    »Sie sitzt nur so da«, sagt Ron. »Könnte sein, dass sie verletzt ist. Ich glaube, ich sehe Blut. Vielleicht sollten wir die Polizei rufen.«
    Anne sagt: »Das hat sicherlich schon jemand getan. Wir sollten die Leitungen nicht überlasten.«

    Von seinem Platz auf der Couch aus kann Peter ein halbes Dutzend Gesichter hinter den Fenstern sehen – Silhouetten, die hinausschauen in die Nacht, die an der Dunkelheit vorbeischauen und hinein in die Wohnungen anderer, so wie er in die ihren schaut -, und er nimmt an, dass Anne Recht hat.
    Ron scheint es auch so zu sehen, denn er sagt: »Wohl wahr.« Gut, denkt Peter, dann ist das wenigstens geklärt.
    Ron wandert in die Küche. »Ich mach mir einen Drink«, sagt er. »Wodka Tonic. Noch jemand was zu trinken?«
    Ron ist fast fünf Zentimeter größer als Peter, und obwohl er genau wie Peter ein Schreibtischhengst ist, wirkt er einschüchternd. Er sieht aus, als könne er einen kräftigen Hieb wegstecken, macht nicht den Eindruck, hilflos dazustehen, wenn sein

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