Ein Akt der Gewalt
sieht einfach nur auf die gegenüberliegende Wand. Und dreht sich nicht wieder zurück.
Patrick will protestieren – seiner Mom sagen, dass er nicht gehen wird, dass Dad es doch war, der sie verlassen hat, und dass ihm das so wehgetan hat, dass er keine Worte dafür findet, und dass er ihr dasselbe niemals würde antun können. Aber er hält inne, bevor er einen Ton herausbringt. Er hält inne, weil er daran denkt, wie sein Leben verlaufen würde, wenn Mom noch zehn Jahre lebte. Würde er dann immer noch hier sein, mit fast dreißig Jahren, sie hochheben und hinübertragen zur Couch, damit er ihre stinkenden schweißgetränkten Laken wechseln und sie mit Salbe einreiben konnte, wo sie sich wundgelegen hatte? Sie wird dann erst zweiundsiebzig sein. Viele Menschen werden älter als das. Auch Kranke. Der Gedanke lässt ihn erschauern.
Er sagt sich: Wenn jemand erklärt, es sei in Ordnung so, wenn jemand ausdrücklich sagt, man solle gehen – das wäre dann nicht wirklich so, als ob man abhauen würde, oder?
Er möchte … möchte einfach nicht mehr länger bleiben.
»Okay, Momma«, sagt er. »Okay.«
Er dreht sich um und geht zur Tür hinaus.
16
Diane und Larry stehen am Wohnzimmerfenster und sehen hinaus auf die junge Frau im Hof. Sie sitzt bereits seit fünf Minuten einfach da und sieht um sich. Es muss kalt sein da draußen. Diane wünscht sich, sie möge aufstehen und nach drinnen gehen. Doch mehr als das wünscht sie sich, Larry möge aufhören, sie zu belügen.
»Es ist beleidigend für mich«, sagt sie. »Ich belüge dich nicht, Diane«, sagt Larry. »Du willst nur, dass ich meine Schuld eingestehe, weil du mich in Gedanken bereits verurteilt hast. Du willst von mir ein Schuldeingeständnis, damit du sagen kannst, du hättest es gewusst, du hättest die ganze Zeit Recht gehabt. Hast du aber nicht, Diane. Tut mir leid, aber das hast du nicht.«
Diane muss lachen.
»Du bist ein manipulativer Mistkerl«, sagt sie.
»Dann sag mir, dass es nicht stimmt, Diane.«
»Es stimmt nicht, Larry«, sagt sie.
»Und warum erklärst du es mir dann nicht? Scheiße, was spielt sich bloß in deinem Kopf ab?«
»Du möchtest, dass ich es dir erkläre?«
Larry nickt. »Ja, erklär’s mir, Diane, denn anscheinend hast du ja schon alles durchschaut.«
»Du hast verflucht Recht damit, dass ich alles durchschaut habe. Deswegen will ich, dass du deine Schuld zugibst«, sagt sie. »Ich will, dass du es tust, weil mich, als wir
letzte Woche mit den Governses zu Abend gegessen haben, Carol immer wieder angesehen hat, als wolle sie etwas sagen. So, als ob ich ihr leidtäte. Weil du nach dem Bowling Stunden später als Thomas nach Hause kommst. Weil du anscheinend jedes Interesse an mir verloren hast. Aber hauptsächlich«, sagt sie, »will ich, dass du es zugibst, weil ich sie an dir riechen kann. Jedes Mal wenn du hinterher zur Tür hereinkommst, kann ich die Frau riechen, Larry. Und dass du dich immer noch weigerst, zuzugeben, was du tust, macht mich rasend.«
Sie verstummt und sucht seinen Blick, um darin eine Reaktion zu entdecken.
Er erwidert den Blick und sieht dann zur Seite. Er schaut in die Ecke, wie hypnotisiert. Er starrt hinüber, als könne eine Antwort auf die Situation aus dem Teppich hervorsickern und sich ihm offenbaren. Als das nicht geschieht, wendet er sich wieder zu Diane und sieht sie stumm an.
Jetzt weigert sie sich, erneut das Wort zu ergreifen. Sie hat ausgesprochen, was sie zu sagen hatte. Sie wird ihm dieses betretene Schweigen nicht ersparen. Sie wird es nicht einmal mit der Wut ausfüllen, von der sie randvoll ist.
»Es tut mir leid.« Er schluckt.
»Es tut dir leid?«
Larry nickt.
»Es tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Du weißt schon.« Er leckt sich die Lippen. »Verlangst du wirklich, dass ich es ausspreche?«
Diane nickt.
»Du hast es getan«, sagt sie. »Also kannst du es verflucht nochmal auch aussprechen.«
»Es tut mir leid«, beginnt er, und es scheint ihm äußerst schwerzufallen, es herauszubringen. »Es tut mir leid, dass
ich dich betrogen habe, Diane. Wirklich«, sagt er. Jetzt stehen ihm Tränen in den Augen, aber dafür ist es zu spät. Den Teil von ihr, der in der Lage gewesen wäre, Mitgefühl für ihn aufzubringen, hat Diane völlig abgeschottet. Sie empfindet nur noch Eiseskälte und Wut.
»Wer ist sie?«
»Das ist doch egal.«
»Das ist ganz und gar nicht egal«, sagt sie. »Genau darauf kommt es an.«
»Tut es nicht, Diane. Darauf kommt es nicht an. Es
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