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Ein Akt der Gewalt

Ein Akt der Gewalt

Titel: Ein Akt der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryan David Jahn
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Kopf und sieht ihn an.
    »Was machst du, Daddy?«
    »Schlaf schön weiter, Kleines«, sagt er und schließt die Tür.
     
     
    Im Bad klappt William den Toilettendeckel zu und setzt sich. Mit der Bürste, die seine Frau gewöhnlich dazu benutzt, die Badewanne zu reinigen, macht er sich über seine Stiefel her. Er schrubbt sie einige Minuten lang, spült die Bürste unter dem heißen Wasser aus dem Badewannenhahn
aus und schrubbt dann weiter. Aber er denkt nicht an das, womit er beschäftigt ist. Er kann an nichts anderes denken als an die junge Frau. Er weiß nicht, was mit ihm los ist. Erzogen dazu wurde er jedenfalls nicht. Und die arme junge Frau. Es hätte auch jede andere treffen können. Wenn eine andere Frau fünf Minuten vorher vorbeigekommen wäre, hätte es sie getroffen. Oder wenn er ein anderes Versteck im Dunkeln gefunden hätte. Oder wenn der Mann, der eine Zigarette von ihm schnorrte, ihn gefragt hätte, warum er dort draußen herumstand. Die arme Frau. Es macht ihn traurig, und doch verspürt er nur das eine Verlangen: zurückzugehen und zu Ende zu bringen, was er begonnen hat. Nur darauf ist er versessen. Danach lechzt er.
    Er spült die Bürste ein letztes Mal unter heißem Wasser aus und dreht dann den Badewannenhahn zu.
    Jemand hätte ihn aufhalten sollen.
    Verflucht nochmal, er wünschte, diese Erektion würde verschwinden.
    Er schnürt seine Stiefel auf und zieht sie sich von den verschwitzten Füßen. Dann steht er auf und steigt aus seinen Jeans. Sie haben ebenfalls Blutflecken, aber nicht sehr viele. Wenn die Hose erst ein paarmal gewaschen worden ist, wird nicht mehr zu erkennen sein, dass es sich um Blut gehandelt hat.
    Er zieht seinen Pullover und sein Unterhemd aus und verlässt das Bad. Er trägt nur noch seine Unterhose. Sie hat die Farbe von Schmutzwasser.
     
     
    Als William ins Bett fällt, wendet sich Elaine zu ihm. Dabei dreht sie auch ihr Kissen um. Er kann ihre Augen erkennen, die ihn ansehen, und fragt sich, ob sie wohl hören kann, wie
laut sein Herz schlägt. Bestimmt kann sie es, denn es ist laut wie eine Trommel.
    Sie riecht gut. Nach Shampoo und Kakaobutter und Schweiß.
    »Wo warst du?«
    »Spazieren.«
    »Ich hab aber das Auto gehört.«
    William will nicht reden. Er streckt den Arm aus und streichelt Elaines Brust, aber sie stößt seine Hand weg. Er beugt sich vor und will sie küssen, aber sie dreht auch ihren Kopf weg, und unfreiwillig küsst er ihren Hals.
    »Jetzt nicht«, sagt sie.
    Er versucht, ihre andere Brust zu streicheln, berührt mit dem Daumen den Nippel. Sie stößt ihn wieder von sich, diesmal mit mehr Nachdruck.
    »Jetzt. Nicht.«
    William dreht sich auf den Rücken. Sieht an die Decke. Etwas stimmt nicht, da drinnen in seinem Unterleib. Da ist etwas, das ihn nicht in Ruhe lässt. Da haust ein Drang, tief im Inneren, und der lässt ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Es ist ein Trieb, der ihn beherrscht, ein Hunger, der kaum zu stillen ist. Er muss wieder zurück. Es ist Elaines Schuld. Er muss zurück und zu Ende bringen, was er begonnen hat. Selbst wenn es bedeutet, dass die Polizei ihn erwischt, selbst wenn es bedeutet, dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen muss – das hätte sogar etwas Gutes: Er müsste vor seiner Frau und seinen Kindern nicht mehr verheimlichen, wie er wirklich ist, und hätte auch keine Möglichkeit mehr, jemand anders wehzutun. Aber diese letzte Sache, die muss er noch zu Ende bringen. Er muss wieder hin.
    Er setzt sich auf, dreht sich zur Seite und schwingt die Füße über die Bettkante.

    »Was machst du denn?«
    »Ich muss nochmal weg.«
    »Wohin denn? Du bist doch gerade erst gekommen.«
    »Einfach weg«, sagt er.
    Im Bad zieht er sich an, schlüpft in seine Hosen und die Schuhe und den Pullover.
    Er greift sich das Küchenmesser aus dem Abtropfkorb und geht wieder hinaus in die Nacht.

22
    Frank biegt nach links ab und fährt die Einbahnstraße entlang. Zunehmend werden die Reihenhäuser von Einfamilienhäusern im Tudor-Stil abgelöst. Er blickt nach links und rechts, hält Ausschau nach einem Kinderwagen, der umgestürzt auf der Seite liegt. Auch nach drei Blocks hat er noch nichts gesehen.
    Dann aber, als er den Skylark leicht nach links lenkt, um einem Schlagloch auszuweichen, erfasst das Licht eines seiner Scheinwerfer den Kinderwagen: Zwischen zwei parkenden Autos liegt er umgekippt auf der Seite. Er kann nur die Rückwand aus blauem Segeltuch erkennen, die Chromgriffe und die Räder mit ihren

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