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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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und lächelte sie an.
    «Ich weiß nicht», sagte er. «Ihre Hände fühlen sich angenehm an.»
    Sie schien ein wenig irritiert über das Kompliment.
    «Was machen Sie hier?», fragte sie. «Müssen Sie nicht arbeiten?»
    |170| «Doch» erwiderte Marthaler, «aber meine Sekretärin hat mich rausgeworfen. Sie sagt, ich gehe ihr auf die Nerven. Wollen Sie
     sich nicht setzen?»
    Tereza schüttelte den Kopf. «Komm, lass uns lieber ein paar Schritte gehen.»
    Marthaler stand auf. Er war überrascht, dass sie ihn plötzlich duzte. Schweigend ging er neben Tereza her. Er wusste nicht,
     was er sagen sollte, und ihr schien es ähnlich zu gehen. Ab und zu schauten sie einander an. Tereza war ein Stück kleiner
     als er, und jetzt fiel ihm auf, dass ihre Nase mit Sommersprossen gesprenkelt war. Als sie fast am Eisernen Steg angekommen
     waren, blieb Tereza stehen.
    «Ich dachte, du würdest heute Morgen ins Café kommen», sagte sie.
    Hieß das, dass sie auf ihn gewartet hatte? Einen Moment lang war Marthaler versucht, zu weitschweifigen Erklärungen auszuholen,
     dann sagte er nur: «Es ging nicht. Leider. Auf einen Polizisten kann man sich eben nicht verlassen.»
    «Leider», sagte sie.
    Marthaler überlegte, ob er sich mit Tereza verabreden sollte. Doch dann war er froh, als sein Handy zu läuten begann und ihm
     die Entscheidung abgenommen wurde.
    «Entschuldige», sagte er und tippte ihr zum Abschied ein wenig unbeholfen auf die Schulter. «Vielleicht klappt es morgen früh,
     dass ich   … ins Café   …»
    Tereza nickte. Dann wandte sie sich ab.
    «Ja», sagte sie, «vielleicht.»
    Bevor Marthaler ihr noch etwas nachrufen konnte, hatte sie bereits die Straße überquert und war im Strom der Passanten verschwunden.
     Und erst jetzt fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, sich dafür zu bedanken, dass sie ihm seine Brieftasche ins Büro hatte
     bringen lassen.

|171| Neunzehn
    Marthaler war wütend auf sich. Warum hatte er das Läuten seines Telefons nicht einfach ignoriert? Jetzt war es zu spät. Er
     nahm den Anruf entgegen. Ein Mann meldete sich und stellte sich mit dem Namen Fellbacher vor.
    «Wer, bitte?», fragte Marthaler.
    Der Anrufer wiederholte seinen Namen: «Erwin Fellbacher, ich bin der Vater von Bettina. Sie hatten mich gebeten, bei Ihnen
     anzurufen.»
    Es war wie immer bei einem neuen Fall: Binnen kurzem bekamen sie es mit so vielen Fremden zu tun, dass Marthaler sich außerstande
     sah, sich auch nur die wichtigsten Namen zu merken. Immer wieder kam es vor, dass er bei einer Vernehmung den Namen des Zeugen
     vergaß und dann nervös in seinen Aufzeichnungen wühlte. Und mehr als einmal war er schon in die peinliche Lage geraten, dass
     er vor Gericht den Namen des Opfers mit dem des Angeklagten verwechselt hatte und sich dafür den Hohn der Strafverteidiger
     hatte gefallen lassen müssen. Auch in der Stimme des Brautvaters meinte er jetzt so etwas wie Mißbilligung zu hören. Umso
     entschlossener versuchte Marthaler seine Antwort klingen zu lassen. «Natürlich, Herr Fellbacher. Schön, dass Sie sich melden.»
     
    Eine halbe Stunde später wollten sie sich vor dem Eingang des Zentrums der Rechtsmedizin treffen. Das Institut lag ganz am
     Ende der Kennedyallee, nicht weit von der Niederräder Pferderennbahn entfernt. Marthaler hatte das Haus betreten und sich
     bei der Empfangssekretärin angemeldet. Er bat die Frau, ihm einen Zehnmarkschein zu wechseln. Aus dem Automaten |172| zog er sich eine kalte Cola. Er stellte sich vor das Haus in den Schatten einer alten Ulme und beobachtete ein paar junge
     Frauen in weißen Kitteln, die in der Nähe auf der Wiese saßen, rauchten, gelegentlich zu ihm herüberschauten und kicherten.
     Er selbst fühlte sich beklommen. Obwohl es eine schöne alte Jugendstilvilla war, mochte er dieses Haus nicht. Er mochte nicht,
     was hier geschah. Er verstand nicht, wie man freiwillig einen Beruf ausüben konnte, der nicht zuletzt darin bestand, den Körper
     einer Leiche zu öffnen, ihm die Organe zu entnehmen, diese in Scheiben zu schneiden und unter ein Mikroskop zu legen. Und
     schon gar nicht mochte er die schnoddrige Unbekümmertheit im Umgang mit dem Tod, die von so vielen Gerichtsmedizinern zur
     Schau getragen wurde. Er kannte eine solche Haltung auch von Kollegen bei der Polizei, aber für sich selbst hatte er sie nie
     akzeptiert. Er wusste, dass man sich in einem Beruf, in dem man täglich mit dem Tod anderer Menschen zu tun hatte, schützen
     musste. Dass man

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