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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Ford und dann auf Vance. Er hatte ein nichtssagendes Gesicht, nicht geschaffen für seelische Notfälle, und schien das zu wissen. Unbeholfen legte er Vance die Hand auf die Schulter.«Wenn ich überzeugt wäre, dass sie wieder auf die Beine käme, müsste ich sie noch heute von hier wegbringen. Aber das bin ich nicht, und deshalb dürfen Sie sie behalten.»Er wandte sich um und ging die Treppe hinunter. Vom Autositz aus rief er Vance, der sich nicht gerührt hatte, zu:« Auf jeden Fall schaue ich morgen vorbei.»

    Als der Arzt fort war, stand Vance noch immer auf demselben Fleck unter dem Vordach. Er versuchte, die Worte«Deshalb dürfen Sie sie behalten»in ihrer Bedeutung zu erfassen. Laura Lou hatte zweifellos gewusst, dass der Arzt, wenn er früher geholt worden wäre, sie in ein Sanatorium geschickt hätte. Jetzt kam es darauf nicht mehr an – und das bedeutete, dass sie starb oder dass zumindest der Arzt dies glaubte. Vance versuchte, die Wirklichkeit hinter diesen Worten zu begreifen, aber sie entzog sich ihm. Er wusste sehr wenig über Tuberkulose, kannte nur ihre melodramatischen Symptome wie Fieber, Blutstürze und nächtliche Schweißausbrüche – die Art von Schwindsucht, wie sie in sentimentalen Romanen vorkommt. Mit der wirklichen Krankheit hatte er keine Erfahrung. Laura Lou war da anscheinend weniger ahnungslos, vermutlich hatte sie in ihrer Angst, fortgeschickt zu werden, ihren Zustand so lang wie möglich vor ihm verheimlicht, und er fragte sich trübe, ob sie begriffen hatte, dass die Erlaubnis des Arztes, hier im Haus zu bleiben, ihr Todesurteil war. Doch selbst dieses düstere Wort hatte für ihn kaum noch eine Bedeutung. Der Satz des Arztes hatte gewirkt wie ein seltsames, ätzendes Mittel, es zersetzte Vance’ sichtbare Welt. Er stand auf der Veranda und wiederholte nur immer wieder«Laura Lou, Laura Lou …», als sei ihr Name eine Zauberformel gegen Zerstörung. Er schmeckte etwas Salziges auf seinen Lippen und merkte, dass ihm die Tränen übers Gesicht rannen.
    Am nächsten Tag musste der Doktor zugeben, dass es seiner Patientin wesentlich besser ging als erwartet. Eine wundersame Erholung, meinte er … Vance, der am Fußende des Bettes stand, sah in Laura Lous Augen die Angst aufblitzen. Der Arzt hatte sie wohl auch bemerkt, denn er fügte mit seinem plumpen Lachen hinzu:«Ich glaube sowieso, dass die Luft hier genauso gut ist wie in den Adirondacks …», und Laura Lous Kopf fiel beruhigt zurück. Von da an schien sie zwar nicht gerade Fortschritte zu machen, aber auch nicht schwächer zu werden. Der Arzt kam nicht oft; er meinte, man könne weiter nichts tun, als sie zu umsorgen und aufzupäppeln, und Vance erreiche ihn jederzeit über das Telefon im Laden … Die Hausgehilfin kam regelmäßig, war aber nicht bereit, über Nacht zu bleiben, und Vance zitterte bei der Vorstellung, was passieren mochte, wenn etwas schiefging und er Laura Lou allein lassen musste, um Hilfe zu holen. Er versuchte sie zu überreden, für die Nacht eine ausgebildete Krankenschwester anzustellen, aber da bekam sie wieder ihren angstvollen Blick und fragte, ob das der Arzt geraten habe und ob das bedeute, dass sie bald sterben müsse. Vance tat die Frage mit einem Lachen ab und schleppte die Sofamatratze in eine Ecke des Schlafzimmers. Doch auch das ängstigte sie, und schließlich musste er zu seiner früheren Regelung zurückkehren: im Wohnzimmer schlafen, versuchen, immer wieder aufzuwachen, zu ihr hineinschleichen und nachsehen. Dank seiner Jugend und Gesundheit schlief er jedoch tief und fest, und nachdem er vergebens versucht hatte, sich zu regelmäßigem Aufwachen zu zwingen, ließ er sich von der Hausgehilfin allabendlich, bevor sie fortging, eine Kanne starken Kaffee aufbrühen und hielt sich damit wach.
    Wie der Doktor sagte, gab es sehr wenig zu tun, und nach ein paar Tagen versuchte Vance wieder an seine Arbeit zu gehen. Kaum saß er am Schreibtisch, überkam ihn der unwiderstehliche Drang, in seinen Roman einzutauchen. Schon einmal, nachdem er seinen Großvater am Fluss mit Floss Delaney gesehen hatte, war er durch das Bedürfnis, seine Qualen mit Worten zu lindern, ins Leben zurückgeholt worden. Jetzt, an diesem viel schrecklicheren Wendepunkt seines Lebens, fand er sich von derselben Gier besessen, als müsste er seine Kunst mit Leid füttern wie ein seltenes, unersättliches Tier … Aber was sollte das? Auf ihn warteten jetzt nicht Romane, sondern Reklame. Er hatte schon einen großen

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