Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
Vom Netzwerk:
in Absprache mit unserer Abteilung für ausländische Mode.»Er beugte sich eifrig vor und sah in Vance jetzt nur noch einen Empfänger für seine Botschaft.«Verstehen Sie, was ich meine? Wir sagen zu den Frauen: ‹Haben Sie den neuesten Roman von Geed oder Morant aus unserer ,Storecraft‘-Reihe gelesen? Wenn Sie wissen wollen, wie die Frauen, von denen diese Burschen schreiben, angezogen sind, welches Parfüm sie benutzen und wie sie sich schminken, brauchen Sie bloß in unsere Paris-Abteilung zu gehen› – verstehen Sie, was ich meine? Natürlich wären Übersetzungen nur der Anfang; sobald das Geschäft läuft, bieten wir die besten hiesigen Originalromane an, und dann nehme ich Ihnen gern alles ab, was Sie veräußern wollen. Ich habe sogar schon einen Einfall für einen ersten ‹Storecraft›-Roman …»
    Er hielt inne, und Vance wurde wieder zu einem Individuum.« Vielleicht haben Sie meine Idee nicht recht erfasst?», fragte Hayes plötzlich etwas unsicher.
    Vance spürte, wie ihm die Übelkeit die Kehle hochstieg. Er begann:«Ich glaube, es ist nicht gut …»
    « Was?», unterbrach ihn Hayes.
    « Ich meine, dass ich hergekommen bin.»Er wollte nur noch fort; ihm fehlten die Worte für eine Erklärung. Doch Hayes, der sich noch immer über seinen Schreibtisch beugte, sagte liebenswürdig:« Sie haben mir noch gar nicht gesagt, weshalb Sie hier sind. Es gibt wohl kaum ein Problem, mit dem ‹Storecraft› nicht fertig wird.»
    Vance schwieg. Blitzartig malte er sich seine Notlage aus, wenn er seinem Abscheu freien Lauf ließe und sich der plumpen Freundlichkeit dieses Mannes verschlösse. Im Grunde war ihm gar nicht mehr der Mensch Hayes zuwider, sondern der Standpunkt, den er vertrat. Durfte zudem ein Mann, der nicht wusste, woher er das Essen für morgen nehmen sollte, in ästhetischen Fragen heikel sein? Er schluckte kurz und sagte:«Ich dachte, Sie könnten mich vielleicht in Ihrer Werbeabteilung anstellen.»
    Das Pfeifen, das hinter Hayes’ Lippen gelauert hatte, brach mit einem verblüfften Triller hervor.«Sieh einer an …», rief er aus, saß sprachlos da und beäugte seinen Besucher.
    Sein Blick war freundlich, ja sogar ehrfürchtig; Vance vermutete, dass ihn der Gedanke, dass ein erfolgreicher Romancier« Storecraft»seine Dienste anbot, nicht ganz unbeeindruckt ließ.« Sie haben sicher Erfahrung mit Klappentexten?», begann er schließlich hoffnungsvoll.
    Vance schüttelte den Kopf.«Eben nicht.»
    « Oh, aha …»
    Vance hatte seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen. So knapp wie möglich schilderte er seine geschäftlichen Beziehungen zur«Neuen Stunde»und zu Dreck und Saltzer und erklärte, dass er dringend Geld auftreiben müsse. Es sei ihm untersagt, seine literarischen Arbeiten an andere Interessenten zu verkaufen, deshalb wolle er sich in der Werbung versuchen. Es schien gar nicht seine eigene Stimme zu sein, die da sprach – es fühlte sich an, als ließe er eine seiner Romanfiguren reden. Als Hayes ihn mit einer Bemerkung in Sachen Tarrant und«Neue Stunde»beruhigen wollte, musste Vance an den betrunkenen Krawallmacher in der Redaktion denken – aber auch das lag inzwischen in weiter Ferne und tat ihm nicht mehr weh. Wesentlich und dringend war einzig, wie dieser Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs auf seine Bitte um Hilfe reagierte. Vance rüstete sich innerlich und wartete ab.
    Hayes lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch.«Zigarette?», fragte er und schob eine Schachtel über den Tisch. Vance schüttelte den Kopf, und wieder herrschte Schweigen. Dann fragte Hayes unvermittelt:«Wie geht es Ihrer Frau?»
    Vance stieg das Blut in den Kopf.«Ganz gut», sagte er kühl.
    « Aha. Wohnen Sie noch in derselben Wohnung?»
    « Nein. Wir sind jetzt draußen auf dem Land.»
    « Tatsächlich?»Hayes zündete seine Zigarette an, zog ein paarmal daran und stand dann auf.«Hören Sie, Mr Weston, ich glaube, wir können Sie schon irgendwo unterbringen. Kommen Sie doch gleich mit mir in die Werbeabteilung.»Er öffnete die Glastür und führte ihn durch einen Flur in ein anderes verglastes Gehäuse.

    Als Vance in die Hochbahn stieg, um heimzufahren, hatte er fünfhundert Dollar in der Tasche. Er hatte eine Stunde mit dem Werbeleiter von«Storecraft»verbracht, und in seinen Taschen steckte jetzt nicht nur Geld, sondern auch eine Auswahl von Anzeigenmustern –«Waschzettel»und marktschreierische Reklamen jeglicher Art, von der Werbung für

Weitere Kostenlose Bücher