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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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zum Zeitungsmilieu und konnte ihm sagen, wo es für einen ungelernten Außenseiter Hoffnung auf eine Stelle gab. Auf jeden Fall war es das Letzte, was er noch versuchen konnte.

15
    « Die Stunde»war bescheiden in einem der oberen Stockwerke eines heruntergekommenen ehemaligen Wohnhauses untergebracht; kein geräuschloser Lift, keine Spiegelglastüren oder silbern betressten Wachmänner führten zu ihrer Schwelle. Die Sekretärin im Vorzimmer sagte, nein, Mr Frenside sei kein Redakteur, sondern nur literarischer Berater, sie glaube aber, dass er heute Vormittag im Hause sei. Kurz darauf führte sie Vance in ein muffiges Kabuff voller Zigarrenrauch, wo Frenside, über einen tintenbeklecksten Tisch gebeugt, Vance mit seinem wenig ermutigenden starren Blick fixierte.
    « Ah, ja – Weston heißen Sie? Bitte setzen Sie sich.»
    Er rauchte und starrte ihn eine Weile an, dann rief er:«Donnerwetter, ich habe Sie doch oben in Eaglewood gesehen, nicht wahr? Natürlich – die Sache mit den Büchern … Miss Spear wird sich freuen, dass Sie mir über den Weg gelaufen sind. Die Bücher sind gefunden worden, sie wollte, dass Sie das erfahren …»
    « Die Bücher?»Vance blickte ihn ausdruckslos an. In der schimmernden, nebulosen Welt, in der er in letzter Zeit lebte, war die Geschichte mit den Büchern aus The Willows genauso vergessen und weit weg wie die Lieder und Gedichte, die ihm Miss Spear vorgelesen hatte; auch Miss Spear war nur ein Nebel zwischen vielen Nebeln. Im Augenblick kannte Vance lediglich einen Gedanken: Er musste diesen wortkargen Mann hinter der Zigarre dazu bringen, ihm eine Stelle zu verschaffen.
    « Tja, die Bücher sind wieder aufgetaucht», wiederholte Frenside.
    « Wo denn?», fragte Vance höflich.
    « Die Einzelheiten kenne ich nicht. Anscheinend hat Lewis Tarrant – Sie erinnern sich an den blassen jungen Mann, der immer oben in Eaglewood war? –, also dem ist es gelungen, sie zurückzukaufen … über eine Anzeige, glaube ich … mit Belohnung … Den Dieb hat man nicht geschnappt, aber das spielt ja keine Rolle. Hauptsache, die Bücher sind wieder da. Damit ist der Fall abgeschlossen.»
    « So, das freut mich», zwang sich Vance zu antworten. Und er wusste, in jener anderen Welt der realen Dinge würde er sich tatsächlich darüber freuen – falls er jemals dorthin zurückkehrte …
    Er spürte, dass Frenside ihn aufmerksamer ansah.«Aber Sie sind nicht deshalb gekommen, oder? Also, lassen Sie hören.»Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lauschte schweigend dem, was Vance zu sagen hatte, dabei trommelte er mit den Fingern auf den Tisch, als hämmerte er seine geheimen Gedanken in eine Schreibmaschine.
    Vance stotterte sich durch die Geschichte seiner vergeblichen Suche und wollte wissen, ob Mr Frenside ihn vielleicht an eine Zeitung empfehlen könne, aber der andere schnitt ihm das Wort ab. Er habe keinerlei Beziehungen dieser Art, leider, Vance solle lieber sofort nach Hause fahren, wenn er dort eine Stelle bei einer Zeitung habe. Vance wurde blass und gab keine Antwort; er verfluchte sich innerlich, dass er sich wider besseres Wissen an diesen Mann gewandt hatte, der sich nichts aus ihm machte und nach den Vorfällen in The Willows vielleicht voreingenommen war.
    « In Ordnung, Sir, danke», sagte er, erhob sich und ging zur Tür. In diesem Augenblick begann Frenside zu sprechen:«Jaja – am Heimgehen hat man manchmal ganz schön zu schlucken, nicht wahr? Ich weiß es noch … in Ihrem Alter … Warum wollen Sie überhaupt zu einer Zeitung?»
    Vance, gegen den Türstock gelehnt, antwortete:«Ich möchte Schriftsteller werden.»
    « Und deshalb …»Frenside lachte rau.
    Vance sah ihn neugierig an.«Gibt es denn einen anderen Weg?»
    « Es gibt nur einen einzigen Weg. Setzen Sie sich hin und schreiben Sie. Zeitungen helfen Ihnen nicht weiter.»
    Vance spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss.«Ich habe … ich habe schon versucht zu schreiben …»
    Frenside griff nach einem Streichholz, zündete sich seine Zigarre wieder an und sagte noch einmal:«Setzen Sie sich.»Vance gehorchte.«Was haben Sie geschrieben? Sie haben doch bestimmt etwas dabei? Lassen Sie sehen.»
    Vance zog mit fiebriger Hand ein Bündel Papiere hervor – die Gedichte, die er in Paul’s Landing geschrieben hatte, und einiges von dem, was ihm in den langen, hungrigen Stunden in der Pension aus der Feder geflossen war. Er legte alles auf den Schreibtisch, und Frenside rückte seine Brille zurecht. Vance kam es

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