Ein altes Haus am Hudson River
Aber sagen Sie – haben Sie heute nicht wenigstens eine mitgebracht?»
« Eine Erzählung? Nein, ich habe nichts mitgebracht.»
Sie saß schweigend da, unbegreiflich enttäuscht.«Soll ich Ihnen etwas gestehen? Ich hatte gehofft, Sie würden sich wünschen, dass ich mir etwas von Ihnen ansehe … nach all unseren Gesprächen …»
« Ja, schon, aber ich würde gern sicher sein, dass es gut genug ist.»Er entfernte sich vom Feuer und streckte ihr die Hand hin.« Ich möchte jetzt heimgehen und schreiben. Das ist normalerweise meine beste Zeit.»
Sie gab ihm widerstrebend die Hand.«Dann darf ich Sie nicht zurückhalten. Aber Sie kommen wieder? Kommen Sie, wenn Sie das Gefühl haben, ich könnte Ihnen helfen.»
« Bestimmt», sagte er mit seinem seltenen Lächeln. Hatte sie ihn überhaupt schon jemals lächeln sehen? Er wirkte noch jungenhafter als sonst.«Am Montag kann ich Ihren Mann doch besuchen?», schloss er.
Ja, sie glaube schon. Aber sie wiederholte streng, er müsse auf jeden Fall telefonisch einen Termin ausmachen.«Redakteure sind nämlich vielbeschäftigte Menschen, Vance», sagte sie mütterlich und verfiel wieder in ihre frühere Art, mit ihm zu reden.«Wenn Sie einen neuen Termin ausmachen, müssen Sie ihn ganz bestimmt einhalten – pünktlich auf die Minute, meine ich. Mein Mann war ziemlich verwundert, dass Sie gestern nicht kamen und ihn nicht einmal benachrichtigt haben. Seine Zeit ist – kostbar.»
Er nahm dies mit jugendlicher Ernsthaftigkeit hin.«Ja, er wird sicher verärgert sein, aber das wird sich legen, wenn ich es ihm erklärt habe. Es ließ sich nicht ändern. Zuallererst musste ich das Mädchen besuchen, das ich heiraten werde.»
Halo trat einen Schritt zurück und blickte ihn erschrocken an. Ihr war, als hätte eine Stütze unter ihr nachgegeben.«Sie wollen heiraten?»
« Ja», sagte er mit leuchtenden Augen.«Deshalb muss ich mich auch so schnell wie möglich an die Arbeit machen. Das wird Ihr Mann sicher verstehen. Und am Montag komme ich zu jeder gewünschten Zeit in die Redaktion.»
Als er fort war, saß Héloïse Tarrant allein da und blickte ins Feuer.
20
Tarrant erschien erst am Montagabend wieder. Er hatte seine Frau aus Boston angerufen, dass er, zurück in New York, sofort in die Redaktion gehen werde und sie ihn erst zum Dinner erwarten solle. Sie speisten allein zu Hause. Halo hatte schon ihr Nachmittagskleid 56 angezogen und wartete auf das Geräusch seines Wohnungsschlüssels, um dann gleich nach dem Dinner zu klingeln. Sie wusste, dass Lewis gern spät heimkam, dessen ungeachtet aber nicht minder gern eine Mahlzeit auf dem Tisch stehen hatte, die ebenso auf den Punkt gegart war, als wäre er pünktlich erschienen, und manchmal dachte sie verzweifelt, dass nur ihre Mutter mit einem solchen Problem fertig geworden wäre.
Er trat hastig und aufgeregt ins Zimmer, jenes zarte Glühen im Gesicht, das die Kälte daraus vertrieb, wenn die Dinge sich vorteilhaft entwickelten.«Um wirklich gut auszusehen», sinnierte seine Frau,«braucht er weiter nichts als eine echte Aufgabe.»
« Hallo, Liebes, ich bin doch nicht zu spät? Warte bitte noch etwas mit dem Essen, ja? Ich bin seit Boston ständig auf den Beinen. Hier hast du etwas zu deiner Unterhaltung, während ich mich umziehe.»Er warf ihr ein Manuskript in den Schoß, und auf der ersten Seite las sie groß den Namen Vance Weston.
« O Lewis! Er ist also aufgetaucht?»
« Er hatte die Güte, ja, vor ungefähr einer Stunde.»
« Und, ist es gut? Hattest du schon Zeit, es zu lesen?»
Kleine, leicht distanzierte Falten legten sich um sein Lächeln, während er auf sie hinunterblickte.«Ja, aber ich warte lieber, bis du es auch gelesen hast, bevor ich sage, was ich denke. Ich möchte deine unvoreingenommene Meinung hören – und außerdem möchte ich kurz in die Badewanne springen.»Die Tür schloss sich hinter ihm, und sie blätterte geistesabwesend in den Seiten auf ihrem Schoß. Wie gut sie diese Formulierung kannte:«Deine unvoreingenommene Meinung.»Das bedeutete ausnahmslos, dass er sich seiner eigenen nicht sicher war, dass er jemanden brauchte, der seine Ansicht stützte oder ihm sogar eine lieferte. Danach ließ er sein Urteil so selbstbewusst und glaubwürdig erschallen, dass die Leute sagten:«Das Gute an Tarrant ist, dass er immer weiß, was er will.»
Héloïse gab in der Küche Entwarnung – sie wusste, wie lange Lewis zum Umkleiden brauchte. Dann zog sie den Sessel zur Lampe. Als sie zu lesen
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