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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Herzenswallung wegen Vance Weston vergessen. All ihre Gedanken waren bei Tullia am Grab von Ben Purchase.
    « Wie kann er so etwas wissen … wie kann er so etwas wissen …», murmelte sie. Und die Tatsache, dass er es wusste, schien ihr künftigen Erfolg zu garantieren.
    « Halo, wo bleibst du denn?», tönte die Stimme ihres Mannes aus dem Esszimmer.«Du scheinst zu vergessen, dass man nach einem anstrengenden Arbeitstag Hunger hat!»

    Beim Essen verbreitete er sich über Einzelheiten der neuen Verträge mit der Druckerei und über die Gespräche in Boston, wo er verschiedene literarische Kontakte geknüpft hatte. Halo hörte ihm interessiert zu. Allmählich wurde ihr klar, dass«Die Stunde »nicht nur in das Leben ihres Mannes frischen Wind bringen würde, sondern auch in ihres. Wie aufregend, wenn man versuchte, erwachende Genies aufzuspüren; und auch wenn sie das Entdecken Lewis überließ, so würden sie danach bestimmt zum Zähmen und Bei-Laune-Halten an sie weitergereicht. Sie hatte die Vorliebe ihrer Mutter für die Gesellschaft kluger Menschen geerbt, Menschen, die etwas taten und schufen, und sie sah das große Zimmer, in dem sie jetzt so viele einsame Stunden verbrachte, bevölkert von einer Schar neuer Autoren und Künstler, die unter dem Banner der«Stunde»versammelt waren.
    « Solange es niemand als ‹Salon› bezeichnet, wird Lewis auch nichts dagegen haben», dachte sie.
    Es gab so viel zu hören und zu berichten, dass Vance Weston erst wieder erwähnt wurde, als das Dinner vorüber war und sie in die Bibliothek zurückkehrten. Tarrant zündete sich eine Zigarre an und ließ sich in seinem Spezialsessel nieder, an dem ein breites Brett für Kaffeetasse und Aschenbecher angebracht war.« Nun, was hältst du davon?», fragte er mit einer Kopfbewegung in Richtung des Manuskripts.
    « O Lewis, du hast einen großen Romancier entdeckt!»Sie war stolz auf diese feinfühlige Formulierung; doch Begeisterung für andere weckte leicht Misstrauen in ihrem Mann, selbst wenn damit ein Lob für ihn selbst verknüpft war.
    « Ein Romancier? Na, das muss sich erst noch weisen. Aber diese Sache hier …»
    « Die finde ich bemerkenswert. Diese Schlichtheit, diese Unbefangenheit …»
    « Hm.»Er paffte an seiner Zigarre und legte nachdenklich den Kopf zurück.«Zunächst einmal sind Kriegserzählungen schwer an den Mann zu bringen.»
    Schlagfertig versetzte sie:«An welchen Mann denn?», und er erwiderte leicht gereizt:«Du weißt sehr wohl, dass wir es uns nicht leisten können, die Wünsche des Publikums gänzlich zu ignorieren.»
    « Ich dachte, du willst ihm beibringen, was es sich wünschen soll.»
    Da dieser Satz aus seinem eigenen Werbeprospekt stammte, war er schwer zu widerlegen und deshalb nicht gern gehört. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich.«Im Lauf der Zeit, sicherlich. Aber trotzdem, hast du nicht den Eindruck, dass diese Geschichte – die natürlich durchaus ihre gute Stellen hat – nun ja, dass es ihr ein wenig … an Würze fehlt? Dass sie ein kleines bisschen altmodisch ist … fade? Schon der Titel verrät ja, worum es geht.»
    « Welcher Titel wäre dir denn lieber? ‹Wie spät, Chronos?› oder ‹Erdflöhe und Erzengel›?»Sie brach ab, dachte daran, wie gefährlich es war, wenn man ihm unterstellte, nicht ausschließlich das Kostbarste und Beste zu wollen.«Natürlich weiß ich, was du meinst, aber kann man es nicht auch anders betrachten? Ich meine, bei einer Zeitschrift wie ‹Die Stunde›? Warum versuchst du nicht, deinen Lesern genau das Gegenteil dessen zu bieten, was die anderen Hansdampf-in-allen-Gassen-Redakteure ständig anschleppen? Etwas Ruhiges, Logisches, Jane-Austen-Artiges … fast Eindeutiges? Eine Antwort auf die allgegenwärtigen Paradoxa? Wenn schon ‹Mutter und Heim› ihren Millionen Lesern einen Roman namens ‹Ramba-Zamba› auftischt, müsste der letzte Schrei etwas ganz Ruhiges sein, das so anfängt: ‹Im Jahre 1920 lebte in der Industriestadt P. ein reicher Fabrikant mit Namen Brown …› Das ist einer der Gründe, warum mir Vance’ Erzählung so gefällt.»
    Obwohl sie ihre Begeisterung geschickt in andere Bahnen gelenkt hatte, erwartete sie keine sofortige Antwort. Was sie gesagt hatte, musste erst umgesetzt und sein Eigentum werden. Er lachte über ihren Wortschwall und sagte, er werde sich ihre Titel auf jeden Fall notieren, sie seien zu gut, um verloren zu gehen, aber seiner Meinung nach bleibe die Tatsache bestehen, dass man für die erste Nummer

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