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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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er auch ein paar Cracker mitnehmen? Oh, das könne er bei der Abreise regeln, das gehe schon in Ordnung. Sie kramte noch eine Dose gemahlenen Kaffee aus den Restbeständen des Lagerladens hervor, die könne er auch haben, und ein paar Handtücher. An Seife sei schon schwieriger zu kommen, aber sie befand, dass sie die Seife ihres Jüngsten haben könnten, der sei diese Woche bei der Muschelernte und halte ohnehin nicht besonders viel vom Waschen. Den Topf mit der heißen Suppe vorsichtig in den Händen, die anderen Utensilien in den Taschen, wanderte Vance in der Dämmerung zurück.
    Vor der Tür rief er leise:«Lou!»Es kam keine Antwort, und er hob den Riegel und ging hinein. Es war dunkel bis auf das düstere Glühen hinter der Ofentür und das unstete Flackern der Kerze; anfangs hatte er das Gefühl, in einen leeren Raum zu treten. Dann sah er, dass Laura Lou noch dalag, wie er sie zurückgelassen hatte, nur dass sie einen nackten Arm über den Kopf geworfen hatte. Vance schirmte die Kerze mit der Hand ab und trat ans Bett. Das kleine Gesicht, vom Seewind gerötet, halb verborgen von dem zerzausten, strohblonden Haar, lag seitlich in ihrer Armbeuge. Sie schlief tief, die Kolobriwimpern ruhten dunkel auf ihrer hellen, eingefallenen Wange, und ihr Atem ging so leise, als läge sie zu Hause im eigenen Bett. Zum ersten Mal überkam Vance eine dumpfe Ahnung davon, was er getan hatte, von seiner und ihrer Unerfahrenheit, von der ungewissen Zukunft. Er hatte sich fest an dieses Kind gebunden, er, der selbst kaum mehr als ein Kind war, was das Wissen um den Menschen betraf und um die geheimnisvolle Kunst, im Leben voranzukommen … Einen angstgelähmten Augenblick lang fragte er sich, warum er es getan hatte. Der Zweifel durchzuckte ihn nur kurz, aber er hinterließ eine innere Kälte. Bei den anderen Mädchen, mit denen er sich eingelassen hatte, war gar keine Zeit für solche Gedanken gewesen; sie hatten ihn eingesaugt wie Treibsand. Doch jetzt schien er sich über einen kühlen, mondbeschienenen Teich zu beugen …
    « Was soll ich sagen, wenn sie wach wird?», dachte er. In diesem Augenblick hoben sich ihre Lider, und ihre Augen blickten in die seinen. Die Kerze in seiner zitternden Hand neigte sich, aber Laura Lous Gesicht blieb ruhig.«O Vance … ich habe von dir geträumt», sagte sie mit einem kleinen, schlafumsäumten Lächeln.
    In der Morgendämmerung erwachte er und erhob sich von ihrer Seite. Er bewegte sich unendlich vorsichtig, um sie nicht zu stören, zog Hose, Hemd und Socken an und nahm die Schuhe in die Hand, um sie draußen unter dem Vordach anzuziehen. Auf der Schwelle blickte er zurück. Im fahlen Winterlicht lag Laura Lou da wie eine kleine Marmorskulptur, ihre entspannte Haltung schien das ganze Gewicht des Abenteuers auf seine Schultern zu legen, und wieder dachte er:«Warum habe ich das getan? Was soll daraus werden?»Wie betäubt stand er vor dem unentschlüsselbaren Geheimnis seines eigenen Geistes. In den kurzen Stunden der Leidenschaft war das kleine Mädchen, das ihm so vertraut gewesen war, plötzlich geheimnisvoll geworden, von nun an aufs Engste mit ihm verwoben und doch unendlich fern und unerklärlich; eine Frau mit einer versiegelten Seele, aber mit einem Körper, der sich an den seinen klammerte … Die böse Ahnung, die gestern Abend schnell wie ein Blitz verflogen war, packte ihn jetzt kalt und zäh.«Was weiß ich von ihr? Was weiß sie von mir?», fragte er sich in panischem Selbstzweifel. Er blickte wieder zu ihr hinüber, und voller Schrecken schoss es ihm durch den Kopf:«Was, wenn sie tot ist?»Wie kam er nur auf einen so entsetzlichen Gedanken? Im Nu hatte seine wildwuchernde Vorstellungskraft sich darauf gestürzt, und er sah sich gelähmt, verzweifelt, zermalmt – aber frei. Frei, diese Tür zu öffnen und hinauszugehen, geradewegs zurück in sein Leben von vor zwei Tagen, ohne die furchtbare Bürde der Verantwortung, die er im Wahn geschultert hatte … Das Bild hielt sich nur einen Lidschlag lang, aber wie ein nächtlicher Blitz in einer unbekannten Landschaft erleuchtete es weite Bereiche seines Innern, die er noch nie gesehen hatte. Sein Schrecken war so groß, dass er umkehrte, um Laura Lou zu wecken und die Angst zu zerstreuen. Doch das leichte Heben und Senken ihrer Brust unter dem dünnen Nachthemd beruhigte ihn, und er entriegelte die Tür und ging hinaus. Sofort verschwand der Schrecken, und als er vor sich das riesige, reglose Rund von Meer und Himmel sah und

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