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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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sich an ihn.«Nein, aber ich hab Hunger, glaub ich.»
    « Hunger? Ihr Götter! Ich auch. Du kluges Kind, wie hast du das herausgefunden?»Er zog sie wieder an sich und bedeckte ihre Augen und Lippen und den leise pochenden Hals mit Küssen.
    Er hatte den Koffer zu ihren Füßen abgestellt, beugte sich nun hinunter, öffnete ihn und zog ein fettiges Paket daraus hervor.« Was hältst du davon, wenn wir hier picknicken? Schon immer habe ich mir die wilden Wellen als Gäste bei meinem Hochzeitsfest gewünscht.»Er begann allerlei auszuwickeln und auf dem Sand auszubreiten: mit Rindfleisch belegte Brötchen, Wurstscheiben, klebrige Tortenstücke, Käse, eine Weintraube und einen Käsekuchen, alles mehr oder weniger miteinander vermengt, und beide fielen mit gierigen Fingern darüber her. Endlich erklärte Laura Lou:«O Vance, jetzt ist es aber genug – o nein, nein, ich kann nicht mehr …»Doch er fuhr fort, ihr das Essen aufzudrängen, Stückchen um Stückchen, und während sich ihre Lippen immer wieder öffneten, trieb ihr die zurückkehrende Wärme das Rot in die Wangen. Erneut wühlte er im Koffer, zog eine kleine Flasche Champagner und einen Korkenzieher heraus und blickte sich verzweifelt nach Gläsern um.«Zum Teufel, was mach ich jetzt? O Kind, wir haben nichts, woraus wir trinken können!»
    Bebend vor Lachen, verfolgte sie die Pantomime seiner Verzweiflung. Plötzlich sprang er auf, rutschte die Düne hinunter, rannte am Strand entlang und kehrte mit einer großen leeren Muschel zurück.«Hier, das hat dir unsere Göttin geschickt! Sie kam nämlich in einer Muschel an Land, weißt du.»Er präsentierte ihr seine Gabe mit schwungvoller Gebärde, gebot ihr, sie mit beiden Händen zu halten, und sie lachte sich halb tot über seinen vergeblichen Kampf mit dem Korkenzieher und der Champagnerflasche. Endlich gab er auf und zerbrach den Flaschenhals, und der goldene Schaum schoss spritzend in die Muschel und über ihre Hände.
    « O Vance … o Vance …»Sie legte den Kopf zurück und hielt die Lippen an den geriffelten Rand, und er glaubte noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben als den pochenden Pulsschlag an ihrer Kehle, während der Wein hinunterfloss.
    « Hast du schon jemals so etwas gekostet?», fragte er und leckte an seinen Fingern.
    Sie kicherte:«Nein, nie, nur Ginger Ale», saß da und schaute zu, wie er erneut ihren Kelch füllte und daraus trank, sorgsam darauf bedacht, den Mund an die Stelle zu setzen, wo der ihre gewesen war.
    « Das ist wie ein Sturmwind mit Sonne – ja, genau so!», verkündete er. Er gestand ihr nicht, dass auch er zum ersten Mal Champagner trank; unbewusst hatte er bereits entschieden, dass es zu seinen Pflichten als Ehemann gehörte, älter und stärker zu sein als sie und mehr über alles zu wissen.

    « Hier wohnen wir», sagte Vance und schwang ihre Hand, um sie aufzumuntern. Er erkannte an ihrem schleppenden Gang, dass ihr der Weg lang geworden war. Ihm war es so vorgekommen, als hätten die brandenden Wellen ihn die ganze Strecke getragen, vom Strand bis zu den paar einsamen Gebäuden, denen sie sich gerade näherten. Aber er zwang sich, langsam zu gehen, er lernte seine erste Lektion in der Pflicht, im Gleichschritt zu gehen.
    Das Haus, eine Hütte nur, hatte eine überdachte Veranda, die ihm das Aussehen eines Bungalows verlieh. Als Vance, getrieben von dem Einfall, seine Flitterwochen am Meer zu verbringen, den freundlichen Leiter des«Freundschaftshauses»aufgesucht hatte, hatte dieser verwundert und dann belustigt gesagt:«So richtig aufs Land – im Dezember?»Nun ja, warum solle Vance nicht die Schlüssel zu dem Bungalow haben, in dem während der Saison der Platzwart mit seiner Frau wohnte? Man habe den Zeltplatz in der Nähe einer Farm angelegt, damit man sich bequem mit Milch und anderen ländlichen Produkten versorgen konnte; die Bäuerin würde ihnen bestimmt Holz und Kohle in den Bungalow bringen und nachsehen, ob der alte Ofen noch zog. Milch bekämen sie sicher auch von ihr, und vielleicht könnten sie auf dem Hof die Mahlzeiten einnehmen. Sie sei recht gutmütig und freue sich um diese Jahreszeit vielleicht über ein wenig Gesellschaft.
    In fast jedem Leben kommt einmal ein Tag, an dem ein Traum in Erfüllung geht. Für Vance war heute dieser Tag, und als er die Tür aufstieß, stand dort der Ofen mit dem Holz und ein paar Kohlebrocken, sodass er nur noch ein Streichholz dranhalten musste, und auf dem Tisch gab es einen Krug Milch und einen Laib Brot.

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