Ein amerikanischer Thriller
hat die Bücher der Pensionskasse be-
schlagnahmt und nachgewiesen, daß drei Millionen Dollar
in das Projekt geflossen sind – was jede vernünftige Kos-
tendeckung weit übersteigt. Kennedys Theorie: Hoffa hat
mindestens eine Million Dollar abgezweigt und verkauft
seinen Gewerkschaftsgenossen fehlerhaftes Baumaterial und
alligatorenverseuchtes Sumpfland.
Das heißt – betrügerischer Grundstückshandel.
Ein letzter Zusatz:
»Hoffa setzt bei dem Sun-Val ey-Projekt einen Strohmann
ein: Anton William Gretzler, 46, wohnhaft in Florida, drei
Haftstrafen. Gretzler ist am 29. 10. 58 vorgeladen worden,
scheint aber vermißt zu werden.«
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Kemper ging die Liste von Hoffa-Komplizen durch. Ein
Name ließ ihn aufmerken:
Pete Bondurant, männlich, weiß, 1,95 Meter groß, 230
Pfund, geboren am 16. 7. 20 in Montreal, Kanada. Keine
Vorstrafen. Inhaber einer Lizenz als Privatdetektiv, ehemaliger
Deputy Bezirkssheriff von Los Angeles County.
Big Pete: Erpresser und persönlicher Schläger von Howard
Hughes. Er und Ward Littel hatten ihn einst verhaftet – weil
Bondurant einen vorläufig Festgenommenen totgeschlagen
hatte. Littells Kommentar: »Der wohl erschreckendste und
fähigste abgerutschte Polizist unserer Zeit.«
Kemper machte sich einen neuen Drink und dachte nach.
Die Rolle, in der er auftreten wollte, nahm allmählich ge-
nauere Umrisse an: Heroische Aristokraten haben einiges
gemeinsam.
Er mochte Frauen und hatte seine Gattin während ihrer
gesamten Ehe betrogen. Jack Kennedy mochte Frauen – und
empfand seine Ehe als zweckdienlich und gegenstandslos.
Bobby mochte die eigene Frau und schwängerte sie andau-
ernd – Insidergerüchten zufolge war er treu.
Kemper hatte in Yale studiert; die Kennedys hatten in
Harvard studiert. Sie waren stinkreiche irische Katholiken;
er stammte von stinkreichen Anglikanern aus Tennessee ab,
die bankrott gegangen waren. Die Kennedy-Familie war groß
und fotogen; seine Familie war ruiniert und ausgestorben.
Viel eicht würde er Jack und Bobby eines Tages erzählen, wie
sich sein Vater erschossen und einen Monat zum Sterben
gebraucht hatte.
Südstaatler hier und Bostoner Iren da; beide mit einem
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eigentümlichen Akzent geschlagen. Er würde sich den Drawl
wieder zulegen, den abzulegen ihn so viel Zeit und Mühe
gekostet hatte.
Kemper durchforstete seinen Ankleideraum. Die Details
seiner Rolle traten immer klarer hervor.
Für den Vorstel ungstermin das schwarze Jackett. Eine 38er
im Schulterhalfter, um bei dem tough guy Bobby Eindruck
zu schinden. Keine Manschettenknöpfe aus Yale – Bobby
hatte möglicherweise einen Hang zum Proletarischen.
Die Kleiderkammer war vier Meter tief. Die Rückwand
mit gerahmten Fotografien dekoriert.
Seine Ex-Frau Katherine – die bestaussehende Frau der
Welt. Sie debütierten gemeinsam beim Cotillon in Nashville
– wo sie ein Gesellschaftsjournalist als »Verkörperung des
Südstaatencharmes« beschrieb. Er heiratete sie wegen des Sex
und wegen des Geldes ihres Vaters. Sie ließ sich von ihm
scheiden, als sich das Boyd-Vermögen in nichts auflöste und
Hoover vor seiner Jura-Klasse einen Vortrag hielt und ihn
persönlich aufforderte, dem FBI beizutreten.
Katherine, im November 1940:
»Daß du dich ja vor dem kurzgeratenen Kleinkrämer
in acht nimmst, Kemper! Ich glaube, der will dir an die
Wäsche.«
Sie ahnte nicht, daß Mr. Hoover nur die Macht fickte.
Andere Fotografien: seine Tochter Claire, Susan Littell
und Helen Agee – drei FBI-Töchter, die auf Biegen und
Brechen als Juristinnen Karriere machen wollten.
Drei beste Freundinnen, die durch ihr Studium in Tu-
lane und Notre Dame auseinandergerissen worden waren.
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Helens Gesicht war entstellt – er hatte die Bilder in der
Kleiderkammer aufgehängt, um sich mitleidige Kommen-
tare zu ersparen.
Tom Agee hatte in seinem Wagen gesessen – eine Routi-
neüberwachung von ein paar Bankräubern vor einem Puff.
Tom war soeben von seiner Frau sitzengelassen worden – und
hatte für die neunjährige Helen keinen Babysitter finden
können. So schlief sie auf dem Rücksitz, als die Bankräuber
auftauchten und aus allen Rohren feuerten.
Tom wurde getötet. Helen erlitt schwere Verbrennungen
und wurde für tot liegengelassen. Hilfe traf sechs Stunden
später ein. Kugelpartikel hatten sich in Helens Wangen ein-
gefressen und sie für immer entstellt.
Kemper legte sich die Kleider fürs Vorstellungsgespräch
zurecht. Er
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