Ein amerikanischer Thriller
schlechte
Menschen geleistet haben und wie sie unbemerkt das Antlitz ihrer Zeit
prägten.
Von ihnen handelt dieses Buch.
Erster Teil
Nötigung
November bis Dezember 1958
1
Pete Bondurant
(Beverly Hills, 22. 11. 58)
Er setzte sich seinen Schuß stets vor laufendem Fernsehapparat.
Irgendwelche Latinos schwenkten Waffen. Der Obermacker
zupfte Läuse aus dem Bart und regte sich auf. Schwarz-
weiß-Aufnahmen von CBS-Clowns im Kampfanzug. »Kuba,
schlimm, schlimm«, sagte der Reporter, »Fidel Castros Re-
bellen gegen Fulgencio Batistas Armee.«
Howard Hughes fand die Vene und spritzte sich Codein.
Pete schaute ihm heimlich zu – Hughes hatte die Schlaf-
zimmertür nur angelehnt.
Das Mittel wirkte. Die Gesichtszüge Howards des Großen
erschlafften. Draußen klapperten die Servierwagen der Zim-
merkellner. Hughes wischte die Nadel ab und wechselte das
Programm. Die Nachrichten wurden von der »Howdy Doody
Show« abgelöst – Routinebusiness im Beverly Hills Hotel.
Pete trat auf die Veranda hinaus – mit Blick auf den Pool,
ein guter Beobachtungsposten für einen Aufpasser. Mieses
Wetter heute: Keine Möchtegern-Starlets im Bikini zu sehen.
Er schaute auf die Uhr, ihm war kribbelig zumute.
Mittags hatte er eine Scheidungssache zu erledigen – der
Mann nahm seinen Lunch in flüssiger Form zu sich und
stand auf Frischfleisch. Gute Blitzlichtlampen besorgen: Wenn
die Fotos verwackelt waren, sah man nur so etwas wie bum-
sende Spinnen. Für Hughes erledigen: Rauskriegen, wer die
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Vorladungen wegen der TWA-Antitrust-Klage verteilte, und
die Leute bestechen, bis sie meldeten, Howard der Große
habe in Richtung Mars abgehoben.
Wie Howard der Schlaue erklärt hatte: »Ich werde mich
nicht gegen die zwangsweise verfügte Auflösung wehren, Pete.
Ich tauche einfach ewig lange ab und treibe den Preis in
die Höhe, bis ich verkaufen muß . TWA habe ich ohnehin
satt, und ich verkaufe erst, wenn ich mindestens fünfhundert
Millionen Dollar dafür kriege.«
Dabei zog er einen Schmollmund: der Kleine Lord als
alternder Junkie. Ava Gardner segelte am Pool vorbei. Pete
winkte; Ava zeigte ihm den Finger. Sie kannten sich schon
lange: Für ein Wochenende, das sie mit Hughes verbrachte,
hatte er ihr eine Abtreibung verschafft. Pete, der Renais-
sancemensch: Zuhälter, Rauschgiftlieferant, Schläger mit
Privatdetektiv-Lizenz.
Hughes und er kannten sich schon seit eeewigen Zeiten.
Juni ’52. Deputy Sheriff Pete Bondurant – Leiter der
Nachtschicht der Polizeiaußenstelle San Dimas. Die eine
beschissene Nacht: ein Niggervergewaltiger auf freiem Fuß,
die Ausnüchterungszel e gerammelt vol mit jaulenden Säufern.
Der Schnapsbruder, der ihm zusetzte. »Ich weiß, wer du
bist, Macker. Du bringst unschuldige Weiber um und dei-
nen eigenen –«
Er prügelte den Mann mit bloßen Fäusten tot.
Die Polizei vertuschte den Vorfall. Ein Augenzeuge ver-
pfiff ihn beim FBI. Für ihren Mann in Los Angeles war der
Säufer ein »Bürgerrechtsopfer«.
Zwei Agenten nahmen ihn in die Zange: Kemper Boyd
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und Ward J. Littell. Howard Hughes sah sein Bild in der
Zeitung und witterte hochkarätiges Schlägerpotential. Hughes
brachte die Sache ins reine und machte ihm ein Stellenan-
gebot: Springer, Zuhälter, Rauschgiftbeschaffer.
Howard heiratete Jean Peters und brachte sie allein in
einem Riesenhaus unter. Danach stand auch »Wachhund«
auf Bondurants Aufgabenzettel. Die prächtigste Hundehütte
der Welt, die Nachbarvilla, war in dem Job inbegriffen.
Howard Hughes über die Ehe: »Als Institution finde ich
sie entzückend, Pete, nur das Zusammenleben macht mir
zu schaffen. Sei so gut, das Jean gelegentlich auszurichten.
Und sollte sie sich einsam fühlen, sag ihr, daß ich stets an
sie denke, auch wenn ich mit Arbeit überhäuft bin.«
Pete zündete sich eine Zigarette an. Wolken zogen vorbei
– die Poolgäste fröstelten. Die Gegensprechanlage knackte –
Hughes befahl ihn zu sich.
Er trat ins Schlafzimmer. Im Fernseher lief »Captain
Kangaroo«, der Ton war heruntergedreht.
Dämmriges Schwarzweiß – Howard der Große als dunkler
Schatten.
»Sir?«
»›Howard‹, wenn wir unter uns sind. Das weißt du doch.«
»Ich hab’ heute meinen unterwürfigen Tag.«
»Du willst sagen, dich sticht der Hafer wegen dei-
ner Herzensdame, Miss Gail Hendee. Na, gefällt ihr das
Wachhäuschen?«
»Allerdings. Sie hält ebenso wenig vom Zusammenleben
wie Sie und sagt, daß zwei
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