Ein Ami in Tirol
gibt es das in jedem anständigen Wirtshaus.«
»Du, pass auf!«, half sich die Wirtin mit Schimpfen aus ihrer Verlegenheit. »Du wirst doch nicht sagen wollen, wir wären kein anständiges Wirtshaus?«
»Hab' ich nicht gesagt«, maulte die fesche Loni. »Aber wenn's nicht einmal ein Steak gibt?«
»Wenn's keiner bei uns frisst?«, giftete die Ochsenwirtin. »Hopp, schwing dich. Geh hinüber zur Mutzberger-Barbara in den Laden und lass dir ein schönes Stückl geben.«
»Sie hat heut zu!«
»Wenn du ihr sagst, dass es für einen amerikanischen Mister ist, wird sie es dir geben, verlass dich drauf. Und jetzt troll dich, sonst werd ich fuchtig.«
Während Loni unterwegs war, forstete die Ochsenwirtin voller Verzweiflung ihre Kochbücher durch. Doch außer der Zubereitung verschiedener Braten, saurer Lunge und anderer tirolerischen Spezialitäten fand sich nichts. Vor allem kein Steak. »Wenn du's gescheit anstellst, verrät es dir vielleicht auch die Loni.«
Aber es kam anders, denn der Mister aus Amerika entschied sich schließlich doch für einen Kalbsbraten, den ihm Alois warm ans Herz legte. So landete das von Frau Barbara Mutzenberger für teures Geld erstandene Rinderfilet schließlich im Gulasch der Ochsenwirtin, weil niemand etwas Besseres damit anzufangen wusste.
Wie einst bei den französischen Königen, sah jeder zu, wie der
Fremde speiste. Man fand, dass er dies außerordentlich vornehm und geschickt tat. So konnte hier kaum einer mit Messer und Gabel umgehen. Es gab Leute, die schnitten sich das Fleisch zunächst klein und spießten dann die Stückchen mit einem spitzen Messer auf, um sie zu verzehren.
Aber dieser Mister, der besaß schon eine ganz andere Kultur.
»Oh!«, rief er plötzlich. »Gibt es hier eine Bank im Ort?«
»Nein, eine Bank haben wir leider nicht in Beißlwang«, musste Eva eingestehen. »Außerdem hätte sie heute ohnehin nicht offen gehabt. Wieso? Worum geht es?«
»Oh, Miss Eva, es ist mir sehr peinlich. Aber ich konnte leider noch keine Dollar wechseln, weil ...«
»Jetzt gehen S' aber weiter!«, rief Alois sogleich. »Sie sind natürlich eingeladen als unser Gast.«
»Natürlich«, versicherte Eva tröstend.
»Das ist doch ganz klar«, musste auch Linda ihren Senf dazugeben und erntete von ihrer Schwester dafür einen strafenden Blick, denn es gefiel Eva gar nicht, wenn Linda sich bisweilen sehr vorlaut zeigte.
»Ja, dann werde ich noch dieses, wie heißt es doch? Dieses Lüngerl werde ich noch probieren«, sagte Mr. James Brown gutgelaunt. »Ich muss zugeben, diese Menschen verstehen etwas von gutem Essen.«
»Bei uns wird nicht schlecht gegessen«, hakte Alois nach. »Es ist halt alles ein wengl deftig, und Sie werden's wohl vornehmer und nobler kennen?«
»Es schmeckt wunderschön!«, rief der Amerikaner begeistert. »Ich werde mich daran gewöhnen können.«
»Das freut uns alle sehr«, sagte Eva freundlich. »Die saure Lunge wird Ihnen bestimmt ebenfalls sehr schmecken.«
Er verfügte über einen gesunden Appetit, denn der Lunge folgte noch eine Rinderroulade und zum Schluss blieb noch Platz für zwei Feuerspatzen, die von der Ochsenwirtin eigens zum Schützenfest alle Jahre wieder gebacken wurden.
Alois Palauer staunte nicht schlecht, was der Gast alles hinter seinen schneeweißen Zähnen verschwinden lassen konnte. Das wurde mit etlichen Gläsern Wein nachgespült. Mit einem Mal hatte Eva ein unbehagliches Gefühl. Was sollte sie dem Gast zum Frühstück hinstellen?
Sie hatte gehört, dass zwei Brötchen, Butter, etwas Marmelade und auch ein wenig Wurst und Käse üblich waren. Doch würde ihm das reichen? Und wenn nicht, dann konnte von dem Preis, den sie verlangt hatte, naturgemäß nicht mehr viel übrigbleiben ...
Nachdem der Fremde sein üppiges Mahl beendet hatte, wurde er von allen Seiten mit Fragen bestürmt.
Ob denn in Amerika wirklich alles möglich sei? Und ob es tatsächlich solche Rindviecher gäbe, wie man schon gehört hatte? Und ob, ob, ob?
»Jetzt lasst's doch den Mr. Brown erst einfach in Frieden!«, rief Alois schließlich. »Er ist ja noch etwas länger hier. Und wem er eine Antwort geben will, dem gibt er sie auch, oder nicht, Mr. Brown?«
»Gewiss, gewiss, mein lieber Gastgeber«, versicherte James lächelnd. »Es wird mir ein großes Bedürfnis sein, mit all diesen Menschen zu sprechen und ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Zu mir mussen S' zuerst kommen, Mr. Brown!«, schrie der hagere Schneiderbanger.
»Du haltest die
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