Ein Ami in Tirol
Gosch'n, Veit. Zuerst bin ich dran, weil ich der Bürgermeister bin«, meldete sich ein Dicker zu Wort und schob sich langsam heran. »Es ist mir eine Ehre. Jakob Adamsberger ist mein Name.«
»Sehr erfreut«, sagte Brown lächelnd. »Das ist wirklich alles sehr interessant, und ich freue mich auf einen Besuch bei Ihnen.
Sobald es geht, Herr Bürgermeister.«
»Eine Ehre ist's mir, eine ganz große sogar«, versicherte Adamsberger, und man sah ihm förmlich an, dass er sich Vorteile vom Besuch des ausländischen Fremden erhoffte.
»Nun möchte ich aber das Fest besichtigen«, sagte Brown. »Ich habe noch nie einen Schützenkönig gesehen.«
Als man das Gasthaus verließ, sah Eva den Brüggler-Christian in der Menge. Zunächst schien er sie gar nicht zu beachten. Dann aber blickte er herüber. Und plötzlich blitzte eine Idee durch Evas Kopf. Sie hob ihn nämlich hochmütig an, sah zu Mr. Brown hin und zeigte ihm ihr strahlendstes Lächeln.
*
Als man auf dem Schießplatz ankam, war man sogleich von vielen Leuten umringt. Der vorjährige Schützenkönig mit seiner prächtigen Talerkette fand gar keine Beachtung mehr.
Jeder wollte den Amerikaner sehen und bestaunen. James Brown ging lächelnd zwischen all den Leuten hindurch.
»Hallo«, sagte er gelegentlich und hob dabei winkend seine Hand.
Endlich gelang es Alois, den ungewöhnlichen Gast etwas auf die Seite zu ziehen, wobei Eva und Linda wegen des Gedränges etwas zurückbleiben mussten.
Plötzlich fühlte sich Eva am Arm ergriffen.
»Sag einmal, was hat denn das zu bedeuten, Eva?«, fragte Christian Brüggler. Seine Augen blickten wie brennend in Evas Gesicht.
»Was meinst du denn?« fragte sie und tat dabei recht arglos.
»Na, diesen aufgeputzten Lackel mein ich!« stieß Christian hervor.
»Das ist doch Mr. Brown, und er wohnt bei uns auf dem Hof«, tat Eva nun wichtig.
»Ach, und mit mir hättest du zum Schützenfest gehen wollen!«, rief er.
»Du hast mir doch keine Zusage gegeben«, erwiderte sie und spielte die Gelangweilte. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und tat, als hielte sie nach James Brown Ausschau. »Hast du übrigens bemerkt, wie gut der ausschaut?«, fragte sie schließlich. »Also, das ist schon ein toller Mann, dieser Mr. Brown.«
»Ein toller Mann«, schnaubte der Nachbarsohn verächtlich. »Ein aufgeblasener Geck ist das. Solche wie der laufen bei denen Hunderte, ach was, Millionen herum. Da braucht man sich nichts drauf einzubilden.«
»Na, wenn schon«, meinte Eva etwas schnippisch. »Mir gefällt er jedenfalls.«
»Dann renn doch zu ihm hin. Und vielleicht tanzt du auch noch mit ihm?«
»Das werde ich ganz bestimmt tun«, versicherte Eva. »Du hast mir doch deutlich gesagt, dass du von der Tanzerei nichts hältst. Oder stimmt das etwa nicht? Und ich tanz halt nun einmal gern. Der Mr. Brown kann es gewiss sehr gut.«
»Mister Brown, Mister Brown«, knurrte Christian. Er stieß seine Hände in die Hosentaschen. »Dann renn doch hin zu deinem Mr. Brown.«
»Das werd ich auch tun, besonders wo du so außergewöhnlich nett und freundlich zu mir bist«, gab sie ihm zurück, drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Auf ihrem Gesicht hatte sich ein Lächeln abgezeichnet. Doch das konnte Christian Brüggler jetzt nicht sehen.
»Weiberleut«, brummte Christian und schob seinen Hut in den Nacken. Dann ging er in entgegengesetzter Richtung davon und traf an der Ecke des Schießheimes auf seinen Bruder.
»Hat dich die Eva gewiss abblitzen lassen?«, fragte Florian Brüggler.
»Ach was. Mit der wollt ich doch überhaupt nicht«, wies Christian ab. »Jetzt hat sie den Ami. Aber die wird sich noch über ihn wundern.«
»Wieso denn? Er muss ein sehr berühmter und vor allem ein sehr reicher Mann sein. Da kann unsereins nimmer mithalten.«
»Auf dem seinen Reichtum pfeif ich doch!«
»Du schon«, gab ihm Florian recht. »Aber es ist eine Frage, ob die Eva auch so denkt.«
»Was die denkt, ist mir piepsegal!«, stieß Christian hervor und warf einen zornigen Blick in die Richtung, in der er Eva mit dem Fremden vermutete. Dann stapfte er davon. Florian sah ihm amüsiert nach.
»Also doch«, meinte er zu sich selbst und machte sich dann vergnügt pfeifend auf den Weg zum Festzelt, das man auf der Angerwiese errichtet hatte und aus dem bereits jetzt schmetternde Musikklänge erschallten, nachdem die Schützenkapelle dort für den Festumzug am morgigen Sonntag probte.
Unterdessen hatten die
Weitere Kostenlose Bücher