Ein Ami in Tirol
erwies sich als ein großartiger Tänzer. Jedenfalls fand das Eva. Sie, die den Tanz über alles liebte, fand ihre ganz besondere Freude daran. Keinen Tanz ließ sie aus, zu dem er sie aufforderte. Dabei sah er ihr immer in die Augen.
Doch Eva lugte stets heimlich um die Ecke, denn dort saß Christian und starrte mit finsterer Miene in seinen Masskrug. Hin und wieder stieß ihn sein Bruder an, wie Eva bemerkte. Doch der Brügglersohn schüttelte jedes mal störrisch den Kopf und sah überhaupt nicht zu Eva herüber.
So kam es, dass Eva und Christian an diesem Abend kein Wort mehr wechselten. Es fand sich jedoch die mollige Metzgerswitwe Barbara Mutzenberger am Tisch ein. Sie schien sich für diesen Abend extra einen Lippenstift besorgt zu haben, denn grellrot leuchtete ihr üppiger Mund.
»Das Steak, dass Sie heute gegessen haben, war fei von mir«, sagte sie, nachdem sie sich ohne viele Fragen breitgemacht hatte. »Das muss ja so zart gewesen sein, dass es Ihnen sicher auf der Zunge zergangen ist, oder nicht?«
»Mr. Brown hat kein Steak gegessen, sondern Kalbsbraten«, sagte Alois etwas taktlos. »Und Lüngerl.«
»Und eine Roulade«, fügte Linda hinzu.
Die Kinnlade der Metzgerin klappte herunter. Dann aber hellte sich ihre Miene gleich wieder auf. Ihre fleischige Hand legte sich auf den Arm des außergewöhnlichen Gastes.
»Wissen S' was«, meinte sie. »Dann kommen S' nächste Woche einfach einmal zu mir, und ich brat Ihnen ein Steak, wie Sie es selbst in Amerika nicht gegessen haben.«
»Das ist lieb von Ihnen, Frau ...«
»Barbara heiß ich«, sagte sie.
»Gut, Frau Barbara ...«
»Die Frau vorn dran können S' weglassen, Mister Brown. Ich bin nämlich eine ledige Witwe. Den Laden hab' ich von meinem Mann selig.«
»Schön, das freut mich«, sagte James galant, neigte sich über die beringte Hand und führte sie an seine Lippen, die sie jedoch kaum berührten.
Am folgenden Tag erhob sich Eva bereits frühzeitig, denn sie hatte mit dem neuen Gast keine Zeit vereinbart, zu der er sein Frühstück einzunehmen gedachte.
Gegen neun kam er herunter. Seinen Hut hatte er, gottlob, auf dem Zimmer gelassen, denn Eva fand ihn wirklich irgendwie affig.
»Good morning!«, grüßte er gutgelaunt.
»Guten Morgen, Mr. Brown. Hoffentlich haben Sie gut geschlafen nach diesen vielen anstrengenden Tanzrunden?«
»Ausgezeichnet!«, versicherte er und streckte sich. »Eine wunderbare Luft gibt es hier. Nur von dort hinten ...«
»Das ist der Misthaufen«, sagte Eva errötend. »Der gehört hier halt nun einmal zu jedem Bauernhof.«
»Macht nix«, wies der Gast ab. »Macht gar nix. Ich glaube, man nennt das Landluft, oder nicht?«
»So ist es«, bekräftigte Eva erleichtert.
Sie hatte das beste Geschirr herausgesucht und es mit hübschen Sommerblumen auf dem Tisch arrangiert, den sie mit einer handgestickten Decke geschmückt hatte. Immerhin sollte sich der Gast hier wohlfühlen.
»Kaffee oder Tee?«, fragte sie kokett, denn ihre neue Rolle als Vermieterin gefiel ihr sehr.
»Kaffee, bitte. Und ein Ei. Frisch vom Huhn. Ungefähr drei Minuten, bitte!«
»Aber selbstverständlich«, versicherte Eva. »So frische Eier, wie es sie bei uns gibt, haben Sie gewiss noch nicht gegessen. Dort liegt die Morgenzeitung. Vielleicht interessiert es Sie, ein bissel darin zu blättern? Dann wissen S' gleich, was bei uns in der Region so geschieht.«
»Oh, well!«, rief er. »Das interessiert mich sogar sehr!«
»Gut, dann wird es Ihnen ja nicht langweilig werden, während ich das Frühstück mache?«
»Bestimmt nicht, Miss Eva«, versicherte er mit freundlichem Augenzwinkern, und Eva sah im Hinausgehen, wie er nach der Zeitung angelte.
Mr. Brown nahm sein Frühstück nicht in der Wohnküche ein. Man hatte die Stube auf Hochglanz gebracht. Eva wusste, der Vater schmatzte beim Frühstück bisweilen, und das hätte wohl peinlich sein können. Drüben in der Wohnküche, die man allgemein die Stube nannte, hatschte Emerenz bereits am Herd herum. »Ich mach Kaffee!« verkündete sie.
»Das lässt du bleiben«, ordnete Eva an. »Geh hinaus in den Hühnerstall und hol Eier.«
»Da werd ich keine finden, weil die hundsverreckten Mistkratzer jetzt alleweil in die Scheune legen«, meuterte Emerenz.
»Dann such in der Scheune!«, rief Eva ungehalten. »Aber ein bissel flott. Hast gewiss gestern ein wengl zu tief in den Masskrug geschaut, wie?«
»Bloß viere«, sagte Emerenz, huschte zur Tür hinaus. Nach ein paar Minuten kehrte
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