Ein anderes Leben
weitere Anzahl von Freunden muss jetzt in diesem kleineren Scharmützel als verloren betrachtet werden. Das Buch wird zu einem großen kommerziellen Erfolg, aber im Månadsjournalen kürt ein erzürnter Kritiker es zu einem der zehn schlechtesten Romane, die je geschrieben wurden, zusammen mit Finnegans Wake und etwas von Dostojewski. Ein anderer Kritiker hebt hervor, das Buch habe ihm Beklemmung verursacht, weil, wie sich zeige, ›ein beharrlich suchender gesellschaftskritischer Ansatz in der Literatur erst in einem Unterhaltungsroman den Nagel auf den Kopf trifft‹.
Es war, anderseits, leichter, ununterbrochen Stürme zu ertragen, als gelähmt auf nichts zu warten, auf nichts und wieder nichts.
›Satire‹ geht auf ein lateinisches Wort für Fruchtschale zurück, satura.
Eine den Göttern dargebrachte Schale mit gemischten Früchten; dann wird das Wort im übertragenen Sinn für unerwartete Begegnungen, Kontraste verwendet, Untrennbares trennen und Unvereinbares vereinen, also Überraschung schaffen. Die Etrusker spielten Satire gegen die Pest, man meinte, ein satirisches Stück mit Flötenbegleitung könne die Pest vertreiben. Der Gedanke dahinter scheint gewesen zu sein, dass man in der Form der Satire, dadurch, dass man der Pest sehr nahe kam, sie heimlich, ein wenig verschämt, beinahe lieb hatte, sie dazu verlocken könnte zu verschwinden. Wie der Rattenfänger von Hameln ungefähr.
Dies kann auch stimmen. Sie befinden sich ja beide sehr dicht an der Medienwelt, über die sie Satiren verfassen. Sind ein Teil davon. Vielleicht lieben und bewundern sie sie insgeheim, lieben es auf jeden Fall, sie zu betrachten, diese Welt mit ihren absonderlichen Gesetzen und schonungslosen Untertexten.
Es war wie auf dem Theater. Er konnte nie glaubwürdig über einen bösen Menschen schreiben, wenn er diesen nicht mochte. Vielleicht sich mit ihm identifizierte.
Er schreibt auch allein weiter fürs Fernsehen, eine sechs Stunden lange Fernsehserie, Strindberg, ein Leben .
Die Erstausstrahlung ist 1981, aber da ist er schon seit einigen Jahren auf dem Weg fort. Er wohnt in Dänemark. Sein privates Leben ist auf den Kopf gestellt. Er ist geschieden, hat Frau und zwei Kinder verlassen und lebt jetzt mit seiner dänischen Frau Lone Bastholm zusammen. Dies geschieht 1978. Sie heiraten im Rådhuset zusammen mit neun pakistanischen Paaren in einer rasch vorandrängenden Schlange. Er ist sehr glücklich, glaubt aber, auf dünnem Eis zu gehen. Viele seiner Freunde sind vielleicht nicht verlorengegangen, befinden sich aber jetzt unerhört weit entfernt; manchmal ruft er, wie Lockrufe durchs Eis, er reißt sich zusammen, er weiß, dass er Risiken eingehen muss, er tut es, er ist glücklich und hat Angst.
Er wird erst 1993 nach Schweden zurückkehren, fünfzehn Jahre später. Das ist das eigentliche Exil.
Er wird ein anderer werden, und sein Leben wird ein anderes werden.
Dritter Teil
INS DUNKEL
Kapitel 12
REGENWURM
Fünfzehn Jahre wohnt er in Dänemark.
Seine Scheidung wird im Juni 1978 wirksam. Er verlässt auch zwei Kinder. Der Junge, der Mats heißt und sechzehn Jahre alt ist, wird es ihm später verzeihen.
Das Mädchen, Jenny, ist erst neun und betrachtet fragend die Leere, die er hinterlässt.
Er geht davon aus, dass auch sie nicht allzu kritisch ist. Kinder verstehen ja nicht, was geschieht . Natürlich haben sie alles verstanden, sind aber hilflos. Er beglückwünscht deshalb seine eigenen Eltern zu einer kurzen, aber intensiven Ehe, mit dem Tod als einzig Schuldigem und einem glücklich zurückgelassenen Kind. Dies ist sein heutiger Standpunkt.
Das Mädchen hat im letzten Jahr eigentümlich nervös gewirkt, hat kleine Tics gehabt. Sie gehen mit ihr zu einem Familientherapeuten, der nach zwei Gesprächen zu dem Ergebnis kommt, dass dem Mädchen nichts fehlt, wohl aber den Eltern. E. stimmt der Analyse zu. Er nimmt zuerst ein Flugzeug nach Oslo, wo seine zukünftige dänische Frau zwei Monate in einer Hörspielredaktion arbeitet; sie mieten eine Wohnung von einem Regisseur, der seinen Namen mit Stein Winge angibt. Tagsüber sitzt er allein in der sehr schönen Wohnung, um zu einem Entschluss darüber zu kommen, ob sein neues Leben festgelegt werden kann.
Es ist ein heißer Sommer. Er beginnt mehrere Bücher zu lesen. Er weiß nicht, ob seine zukünftige Frau hingerissen oder erschrocken ist darüber, so plötzlich ein neues Leben zusammen mit ihm zugeteilt bekommen zu haben.
Über die Zeit in Oslo gibt es nicht
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