Ein anderes Leben
bittet ihn, die Kündigung zurückzunehmen. Sie sitzen zwei Stunden zusammen, und er kann auf gewisse Weise Wrigstads Hartnäckigkeit bewundern sowie den Mangel an Prestigedenken, den er an den Tag legt. Wrigstad wird im übrigen in wenigen Monaten aufhören, und Bo Strömstedt, der verzweifelt ist aufgrund der Situation, wird sein Nachfolger werden.
Aber er will seinen Entschluß nicht ändern. Es ist, wie es ist. Er versteht es fast selbst nicht. Er mag ja die Zeitung, und Strömstedt ist sein Freund. Aber etwas in ihm sagt: Nein.
Er befindet sich in mehrfacher Hinsicht im Aufbruch, und er will nicht zurückblicken.
Sie schreiben politische Satiren für das Theater, und alles, was sie machen, scheint in mediale Konflikte zu münden, praktisch auflagensteigernde Knüller. Es ist nicht geplant, aber wenn es zum Knall kommt, ist es lustig, um etwas später nicht mehr ganz so lustig zu sein. Die Anzahl der Feinde vermehrt sich stark. Es macht aber Spaß, mit Anders zu schreiben, der wenn möglich noch schüchterner ist als er selbst, allerdings nicht in den Briefen. Das am Ende fast tausend Seiten umfassende Briefmaterial ihrer Zusammenarbeit ist, meinen beide, ein äußerst interessantes Zeitdokument, aber natürlich vollständig undruckbar.
Bedenkenswert. Die undruckbare Seite des öffentlichen Gesprächs.
Als nächstes schreiben sie das Stück Mannen på trottoaren , das von der Linken handelt. Es ist boshaft und äußerst initiiert, beide sind in den Tagen des Aufruhrs 1968 fern der schwedischen Bühne gewesen, haben aber den Aufruhr von ihrem jeweiligen europäischen Aussichtspunkt aus betrachtet, Anders von Rom aus und mit den Roten Brigaden im Fokus, er selbst von Westberlin aus mit Baader-Meinhof im Blickfeld.
Das Stück ist, darüber sind sie sich einig, ausgesprochen lustig und in gewisser Weise auch treffsicher, auf jeden Fall wahr. Es gestaltet genau den Typus linker Selbstkritik, von dem es fünfzehn Jahre später heißt, es habe ihn nie gegeben.
Mannen på trottoaren wird im Malersaal des Dramaten gegeben; die Nationalbühne ist mittlerweile ihr Zuhause und die völlig natürliche Arena für ihr politisches Theater.
Das Stück bewirkt eine intensive Debatte, und TV2 will es deshalb in einer Aufzeichnung aus dem Malersaal senden, mit anschließender Diskussion. Zwar spielt das Stück, so die Fiktion, zu Beginn des Jahrhunderts in St. Petersburg und schildert einen Prozess gegen den Terroristen und Selbstmordattentäter, der den Innenminister Doktor Plehve getötet hat. Aber die Zeugen bei diesem Prozess gegen den jungen Terroristen sind zweifellos der schwedischen Gegenwart entnommen, mit leicht erkennbaren und prominenten Gestalten aus der schwedischen und in gewissem Maße deutschen Linken.
Dass diese Kritik der elitären Haltung der extremen Linken im Malersaal vorgeführt werden konnte, vor einem Publikum ungefähr von der Größe eines sowjetischen Zentralkomitees, das ist eine Sache. Der eine Autor offenbar Sozialdemokrat, der andere lange aktiv in der kommunistischen VPK. Keiner von beiden ein Feind der Linken. Aber die Selbstkritik dieser Linken, so notwendig sie auch sein mag, nach draußen zu tragen, ins Volk, das weckt starke Unruhe im Ensemble.
Würde das Volk in den Hütten, das ja kaum über die intellektuelle Kapazität verfügte wie die besten Köpfe der Linken, würde es diese Diskussion ertragen und die richtigen Schlüsse ziehen, also keine übereilten?
Das Problem war jedoch eher: Würde die Linke ertragen, dass das Volk diese Diskussion mitbekam?
Dass diese Diskussion innerhalb der Linken vor der Elite selbst, also im Malersaal vorgetragen wird, ist eine Sache. Vielleicht sogar lobenswert. Aber in den Hütten?
Was dem unerfahrenen Mats Carlgren nicht gelungen war, also eine Theatervorstellung zu stoppen, das gelingt hier.
Die Übertragungsbusse sind bereits von Malmö heraufgekommen, doch die Aufzeichnung wird am Abend vor der Sendung abgesagt. Das Ensemble weigert sich zu spielen. Die beiden Autoren reagieren natürlich mit wütenden Angriffen in den Medien und erhalten Beifall von rechts, verlieren aber gleichzeitig einige aufrichtige und intelligente Freunde, unter ihnen Allan Edwall. Dieser gibt im Malersaal ein irrsinnig lustiges Porträt eines General Armfäldt, einer führenden Gestalt im Kampf für die Erhaltung der Ulmen im Kungsträdgården. Edwall wird leider auch eine Zentralfigur im Kampf gegen die Fernsehübertragung von Mannen på trottoaren .
Das Stück
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