Ein Antrag nach Mitternacht
Schon bald wurde ihr klar, dass sie über diesen mit seinem tüchtigen Butler Cranston würde reden müssen. Sie hätte ihm eine Nachricht zukommen lassen können, um ihn zu bitten, sie aufzusuchen. Das wäre der völlig korrekte Weg gewesen. Stattdessen jedoch beschloss sie, nach Lilles House zu fahren, um dort mit ihm zu sprechen. Sie würde Maisie mitnehmen, damit der Anstand gewahrt blieb. Es war einfacher, dem Mann an Ort und Stelle zu zeigen, was sie sich vorstellte.
Vielleicht würde sie dabei dem Duke begegnen. Nach der Soiree bei den Haversleys hatte sie sich energisch ins Gewissen geredet, sodass sie nun sicher sein konnte, ihre Eifersucht überwunden zu haben. Es war nur eine vorübergehende Gefühlsregung gewesen, die von der Vernunft rasch überwunden worden war.
Außerdem konnte sie davon ausgehen, dass der Duke wahrscheinlich nicht zu Hause sein würde. Und als sie Lilles House erreichten, stellte sich heraus, dass sie mit ihrer Vermutung durchaus richtiggelegen hatte. Cranston zeigte sich überrascht, sie zu sehen, auch wenn er das gut überspielte. Lediglich seine himmelblauen Augen verrieten seine Verwunderung darüber, dass Francesca und ihr Dienstmädchen vor der Tür standen und Einlass begehrten. Nachdem sie ihm erklärt hatte, dass sie mit ihm über den anstehenden Ball des Dukes sprechen wollte, wich seine stets höfliche Miene einem Ausdruck strahlender Freude, den sie bei ihm noch nie beobachtet hatte.
„Selbstverständlich, Mylady. Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen dabei zu helfen. Ich verfüge über Sitzpläne und Grundrisse des Saals.“
„Hervorragend“, sagte Francesca begeistert. So viel Tüchtigkeit und Eifer würde ihren Butler Fenton ganz bestimmt eifersüchtig machen, dachte sie amüsiert. „Wenn wir uns an einen Tisch setzen könnten …?“
„Ja, natürlich. Wir können den im Personalraum benutzen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. An ihm erledige ich die meisten Planungen. Oder ist Ihnen die Bibliothek lieber?“
„Nein, nein, der Tisch im Personalraum wird genau richtig sein.“
Während Maisie sich um den Tee kümmerte und ein Schwätzchen mit der Haushälterin von Lilles House hielt – mit der sie sich bei ihrem letzten Besuch angefreundet hatte, als sie voll des Lobes über Callie gewesen war –, ließ sich Francesca am Tisch im Speiseraum der Dienerschaft nieder. Vor ihr lag eine von Cranstons Zeichnungen des großen Ballsaals.
Der Speiseraum war recht gemütlich. Ein kurzer Flur führte in die Küche, von wo das Scheppern von Pfannen und Kochtöpfen zu hören war, jedoch so gedämpft, dass es nichts weiter als ein leises Hintergrundgeräusch war. Cranston brachte ihr eine Tasse Tee und eine Kanne, um nachzuschenken, dazu einen Teller mit Gebäck. Anschließend stellte er sich neben sie.
„Setzen Sie sich doch bitte, Cranston“, forderte sie ihn auf und zeigte auf den Stuhl gleich neben ihr.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mylady, aber …“
Sie wusste, er neigte in jedem Detail dazu, sich an die korrekten Vorgaben zu halten. Aber ihr war bekannt, dass der Mann seit einigen Jahren Probleme mit den Knien hatte, und sie selbst kannte sich aus im Umgang mit alternden Dienern. „Ich bitte Sie darum“, beharrte sie. „So können wir uns viel besser unterhalten, weil ich mir nicht ständig den Hals verdrehen muss, um Sie zu sehen.“
„Selbstverständlich, Mylady. Wenn Sie das wünschen.“
Er setzte sich zu ihr, wobei er aber nur die äußerste Kante seines Stuhls einnahm, den er zudem so weit zurückgezogen hatte, dass er ein Stück weit hinter ihr saß.
„Das ist eine vorläufige Gästeliste“, erklärte sie und legte ein Blatt auf den Tisch. „Ich habe überlegt, dass Sie vielleicht einen Blick darauf werfen möchten, um zu sehen, ob ich jemanden vergessen habe, der aber unbedingt eingeladen werden muss. Oder ob ich einen Namen aufgeführt habe, der besser nicht fallen sollte.“
„Ich bin davon überzeugt, dass Ihnen dabei kein Irrtum unterlaufen ist“, versicherte Cranston und legte die Liste zur Seite. Er würde sich später damit beschäftigen.
Francesca nahm einen Bleistift zur Hand und begann zu erläutern, welche Dekoration sie sich vorstellte, wobei sie ihre Ideen gleichzeitig auf dem Plan einzeichnete. Cranston nickte zustimmend und machte sich immer wieder Notizen.
Nach einer Weile kamen sie auf die Erfrischungen zu sprechen, was bedeutete, dass die Köchin einbezogen werden musste. Also holten sie die Köchin dazu, die
Weitere Kostenlose Bücher