Ein Antrag nach Mitternacht
glaube, ich werde eine Weile mit ihr plaudern, vielleicht einen gemeinsamen Ausflug planen. Dann kann ich es so arrangieren, dass Rochford auch zu der Gruppe gehört, die an der Vergnügungsfahrt teilnimmt …“
„Wenn das dein Vorhaben ist, scheint das Glück auf deiner Seite zu sein“, meinte Irene und deutete mit einem Nicken auf das andere Ende des Ballsaals. „Rochford ist soeben eingetroffen.“
„Tatsächlich?“ Francescas Herz schlug schneller, als sie sich in die Richtung umdrehte, in die ihre Freundin gewiesen hatte.
Ja, das war Rochford, der in Schwarz und Weiß gekleidet war und eine lässige Eleganz ausstrahlte, die ihn zum bestaussehenden Mann auf diesem Ball machte. Sein volles schwarzes Haar war in einem kunstvoll legeren Stil geschnitten, den viele nachzuahmen versuchten, was aber nur wenigen gelang. Seine schlanke, große Statur war wie geschaffen für die der neuesten Mode entsprechende, eng anliegende Jacke und Hose. Nichts an ihm wirkte prahlerisch, war der einzige Schmuck an ihm doch lediglich seine Krawattennadel, deren Kopf aus Onyx so schwarz glänzte wie seine Augen. Und trotzdem hätte niemand hier ihn für etwas anderes als einen Aristokraten gehalten.
Francesca umfasste ihren Fächer fester, als sie ihn beobachtete, wie er sich im Saal umschaute. Wenn sie ihm in der letzten Zeit begegnete, dann wurde sie jedes Mal von einer brodelnden Mischung unterschiedlichster Gefühle erfüllt. Es war Jahre her, seit sie so nervös gewesen war, so voller Zurückhaltung und Begeisterung zugleich. Daphnes Worte, das wurde ihr jetzt klar, hatten die Tür zur Vergangenheit aufgestoßen und einen Schwall von Empfindungen ausgelöst, von denen sie gedacht hatte, die Zeit und ihre Erfahrungen hätten sie hinfortgespült.
Wie dumm dieser Glaube war, wurde ihr jetzt bewusst. Dass ihr nun klar war, dass Rochford sie nicht betrogen hatten, änderte nichts an ihrem Leben – und es würde sich auch nichts verändern. Dennoch konnte sie nicht diesen Anflug von Freude unterdrücken, den sie jedes Mal verspürte, wenn sie ihn sah. Er hatte nie zu Daphne gehört. Seine festen, makellosen Lippen hatten nie ihren Mund geküsst, er hatte ihr nie etwas ins Ohr geflüstert. Sie war nie von seinen Händen gestreichelt oder von ihm mit Juwelen überschüttet worden. Das Bild vor ihrem geistigen Auge, das sie fünfzehn Jahre lang gequält hatte, war grundverkehrt gewesen, und das stimmte sie heilfroh.
Francesca wandte sich ab und war mit einem Mal sehr mit ihren Handschuhen und dem Fächer beschäftigt, außerdem strich sie hastig ihr Oberteil glatt. „Ich muss es ihm sagen“, erklärt sie leise.
Sie wusste, sie würde sich in seiner Gegenwart nicht wieder wohlfühlen, solange sie ihm nicht anvertraute, was sie erfahren hatte, und solange sie sich nicht dafür entschuldigt hatte, dass sie nicht bereit gewesen war, ihm zu vertrauen und seinen Beteuerungen zu glauben. Außerdem konnte sie ihn unmöglich mit einer Braut zusammenbringen, wenn sie in seiner Nähe ein Nervenbündel war. Sie musste es ihm sagen … nur wie?
„Ich denke, du bekommst soeben deine Gelegenheit“, bemerkte Irene.
„Was?“ Francesca hob abrupt den Kopf – und sah, dass der Duke of Rochford die Treppe heraufstieg.
2. KAPITEL
Francesca stand wie erstarrt da, obwohl sie den dringenden Wunsch verspürte, die Flucht zu ergreifen. Doch das konnte sie natürlich nicht machen, da Rochfords Blick genau auf sie gerichtet war. Es war ihr nicht möglich, sich jetzt noch von ihm abzuwenden, ohne unhöflich zu wirken. Außerdem hatte Irene völlig recht: Das hier war ihre Gelegenheit, ihm alles zu erklären.
Also blieb sie stehen und lächelte, während sich ihr der Duke näherte.
„Lady Haughston, Lady Radbourne“, begrüßte er sie und deutete eine Verbeugung an.
„Rochford. Wie schön, Sie hier zu sehen“, erwiderte Francesca.
„Es ist schon lange her. Ich habe Sie nur auf wenigen Bällen gesehen.“
Sie hätte wissen müssen, dass es ihm auffallen würde. Rochford entging so gut wie nichts. „Ich … ich habe mich nach Callies Hochzeit ein wenig erholt.“
„Waren Sie krank?“, fragte er besorgt.
„Ich? Oh, nein, nein, keineswegs. Ähm …“ Insgeheim seufzte Francesca. Noch keine zwei Sätze hatte sie herausgebracht, und schon geriet sie ins Stammeln.
Es fiel ihr äußerst schwer, Rochford zu belügen. Selbst die harmloseste Ausrede, die sie jedem anderen ohne zu erröten aufgetischt hätte, kam ihr nicht einmal in
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