Ein Antrag nach Mitternacht
Ansätzen über die Lippen, als sie mit seinem eindringlichen Blick konfrontiert wurde. Manchmal kam es ihr so vor, als könnten seine dunklen Augen so tief in sie hineinschauen, dass sie ihre Seele zu sehen bekamen.
Sie wich seinem Blick aus und fuhr fort: „Nein, ich war nicht krank, ich fühlte mich lediglich müde. Die Saison kann manchmal recht anstrengend sein, sogar für mich.“
Ihr Gefühl sagte ihr, dass er ihr kein Wort glaubte. Er betrachtete sie noch einen Moment, ehe er erklärte: „Niemand kann Ihnen die Anstrengung ansehen, das versichere ich Ihnen. Sie strahlen so, wie es jeder von Ihnen gewöhnt ist.“
Francesca nahm sein Kompliment mit einem bedächtigen Nicken zur Kenntnis, während er sich schon an Irene wandte. „Und das gilt auch für Sie, Mylady. Die Ehe scheint Ihnen gutzutun.“
„Das ist wahr“, bestätigte sie, wobei sie leicht überrascht klang.
„Ist Radbourne heute Abend hier?“, erkundigte er sich. „Mich wundert, dass ich ihn nicht an Ihrer Seite antreffe.“
„Das liegt daran, dass Irene ihn im Stich gelassen hat“, warf Francesca belustigt ein.
„So ist es“, unterstrich Irene diese Worte. „Ich habe ihn in Lady Pencullys Fängen zurückgelassen und bin danach wie ein Feigling die Treppe hinaufgeeilt.“
„Großer Gott! Tante Odelia ist hier?“, stieß Rochford aus und schaute beunruhigt nach unten in den Ballsaal.
„Ja, aber sie kann nicht die Treppe heraufkommen“, entgegnete Francesca. „Solange Sie hier oben bleiben, sind Sie in Sicherheit.“
„Davon bin ich nicht so überzeugt. Seit dem Ball zu ihrem achtzigsten Geburtstag ist die Frau regelrecht von neuem Leben erfüllt“, hielt Rochford dagegen.
Irene sah zu Francesca, schließlich bemerkte sie: „Vermutlich sollte ich besser die brave Ehefrau spielen und Gideon retten, bevor er die Geduld verliert und etwas zu Tante Odelia sagt, das er später bereuen könnte.“
Hastig erstickte Francesca die plötzlich aufkommende Panik, als ihr klar wurde, dass ihre Freundin sie im Stich lassen würde. Sie hatte sich Hunderte Male mit dem Duke unterhalten, es war absurd, auf einmal diese Verlegenheit zu verspüren.
„Wie geht es der Duchess?“, fragte sie, nachdem sich Irene zurückgezogen hatte. Sosehr sie sich auch bemühte, etwas Besseres wollte ihr einfach nicht einfallen, um das Gespräch fortzuführen.
„Großmutter geht es gut, und es gefällt ihr in Bath. Sie droht zwar immer wieder damit, anzureisen und die Saison wenigstens für ein paar Wochen zu begleiten, aber ich glaube, sie wird davon Abstand nehmen. Sie ist viel zu froh darüber, nicht länger für Callie die Anstandsdame geben zu müssen.“
Francesca nickte. Damit war dieses Thema erschöpft, bevor es überhaupt eines war. Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und ließ ihren Blick abermals durch den Ballsaal schweifen. Sie wusste, sie musste es ihm sagen. Es konnte nicht so weitergehen, dass sie sich in seiner Gegenwart befangen und unbehaglich fühlte. In den letzten Jahren hatte sie sich daran gewöhnt, dass sie beide wieder etwas verband, das man als Freundschaft bezeichnen konnte. Sie freute sich darauf, sich auf Bällen mit ihm zu unterhalten, da es jedes Mal aufs Neue erfrischend war, mit ihm Wortgefechte auszutragen. Seine geistreichen Kommentare machten auch die langweiligste Zusammenkunft erträglich. Außerdem konnte sie sich darauf verlassen, dass er mit ihr einen Walzer tanzte, was bedeutete, dass zumindest ein Tanz an diesem Abend ein Vergnügen sein würde und ihr das Gefühl gab, über dem Boden zu schweben.
Sie musste ihm reinen Wein einschenken, sie musste ein Geständnis ablegen und ihn um Vergebung bitten, auch wenn der Gedanke daran ihr noch so große Angst bereitete.
Als sie sich zu ihm umdrehte, musste sie feststellen, dass er sie nachdenklich beobachtete. Er weiß es, ging es ihr durch den Kopf. Dieser Mann war einfach zu scharfsinnig. Er hatte längst erkannt, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Mit ihnen beiden.
„Möchten Sie mich vielleicht auf einen Spaziergang begleiten?“, fragte er und bot ihr seinen Arm an. „Wie ich bereits häufiger gehört habe, soll die Galerie der Whittingtons recht angenehm sein.“
„Ja, selbstverständlich. Das klingt sehr interessant.“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm und spazierte an seiner Seite den langen Gang entlang, der an einer Seite des Whittington-Herrenhauses verlief.
In der Galerie hingen die Porträts der Vorfahren sowie Gemälde mit
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