Ein Antrag nach Mitternacht
Immerhin hatte er all die praktischen Gründe angeführt, warum wir beide so gut zusammenpassten. Er hatte mir keine Liebeserklärungen gemacht, mir keine Gedichte vorgetragen, die meinem Lächeln gewidmet waren. Aber ich hatte geglaubt, ich würde ihm etwas bedeuten. Ich war mir sicher gewesen, dass er mir niemals etwas antun und mich immer nur respektvoll behandeln würde. Ich hatte auch gewusst, ich würde ihm eine so gute Ehefrau sein und ihn so glücklich machen, dass er eines Tages gar nicht mehr anders konnte, mich so zu lieben, wie ich ihn liebte.“
„Und in Wahrheit hatte er sich mit Lady Daphne eingelassen, obwohl er mit dir verlobt war.“
„Ja … obwohl … nein, eigentlich nicht. Es war alles nur eine Lüge gewesen. Doch zu der Zeit wusste ich das nicht, und das, was ich für die Wahrheit hielt, konnte ich einfach nicht ertragen. Zweifellos wäre manch andere darüber hinweggegangen und hätte sich vor Augen gehalten, dass sie trotz allem seine Duchess sein würde, auch wenn sein Herz einer anderen gehörte. Aber ich konnte das nicht, also trennte ich mich von ihm.“
„Obwohl Daphne diese kleine Szene in Wahrheit so arrangiert und dich mit der Nachricht zu sich gelockt hatte?“
„Richtig. Bei Callies Hochzeit verriet sie mir, dass alles nur eine Lüge gewesen war. Er hatte nichts mit ihr angefangen, ganz so, wie er es mir gegenüber beteuert hatte. In dem Moment konnte ich ihm kein Wort glauben, und ich weigerte mich, ihm weiter zuzuhören. Als er mich später besuchen wollte, da wollte ich ihn nicht empfangen.“
„Und deshalb hast du dann Lord Haughston geheiratet?“, fragte Irene.
Francesca nickte. „Er gab mir all das, was ich von Rochford nicht bekommen hatte – romantische Worte und extravagante Gesten. Er sagte, ich sei für ihn der Sternenhimmel und der Mond.“ Sie verzog den Mund. „Seine Worte waren Balsam für mein verletztes Herz. Ich redete mir ein, dass so wahre Liebe sein musste. Also heiratete ich ihn, doch unsere Hochzeitsreise war noch nicht vorüber, da wurde mir klar, welchen Fehler ich begangen hatte.“
„Das tut mir so leid“, sagte Irene und drückte ihre Hand.
„Ach, es liegt jetzt schon so lange Zeit zurück.“ Francesca rang sich zu einem schwachen Lächeln durch.
„Ich kann es kaum fassen, dass Lady Daphne dir gegenüber ein solches Geständnis abgelegt hat.“
„Oh, du kannst mir glauben, das hat sie nicht etwa getan, weil ihr Gewissen sie geplagt hat. Ich bin überzeugt, sie wollte mir vor Augen halten, wie dumm ich war. Sie hatte bestimmt darauf gehofft, dass ich bereue, meine Chance vergeudet zu haben, eine Duchess zu werden.“
„Aber in Wahrheit bereust du, dass du Rochford so falsch eingeschätzt hast. Dass du ihm damit so wehgetan hast“, folgerte Irene.
Francesca nickte. „Sein Stolz muss sehr darunter gelitten haben. Es muss schlimm für ihn gewesen sein, dass ich an seiner Ehre gezweifelt habe, selbst wenn er wusste, dass er sich nichts vorzuwerfen hatte.“
„Oh, Francesca, was für eine schreckliche Sache. Aber er war nicht der Einzige, der verletzt worden war.“
„Stimmt, doch ich hatte mir etwas vorzuwerfen. Ich hatte ihre Lügen geglaubt, ich war diejenige, die ihm nicht zuhören wollte, als er mir die Wahrheit sagte.“
„Und du bist nun davon überzeugt, wenn du für den Duke eine Frau suchst, dann machst du das wieder gut?“, wollte Irene wissen.
Francesca entging nicht der skeptische Tonfall ihrer Freundin. „Ich weiß, das kann ich niemals wiedergutmachen. Aber ich fürchte … Was, wenn Rochford meinetwegen nie geheiratet hat?“ Ihre Wangen liefen rot an. „Ich will damit nicht sagen, dass ich ihm das Herz für alle Zeit gebrochen habe. Auf eine so hohe Stufe stelle ich mich nicht, dass ich glaube, keine andere Frau könnte je an mich heranreichen. Aber ich fürchte, ich habe ihn dazu gebracht, dem weiblichen Geschlecht so grundlegend zu misstrauen, dass er lieber nicht heiraten will. Vermutlich war er bereits daran gewöhnt, allein zu sein, und vielleicht war es für ihn einfacher, so weiterzuleben. Auf Sinclair war der Titel bereits in jungen Jahren übergegangen, und er verstand schnell, dass die Leute allein wegen seines gesellschaftlichen Stands und seines Reichtums an ihm interessiert waren. Ich nehme an, das war auch der Grund, weshalb ihm der Gedanke gefiel, mich zu heiraten. Wir kennen uns von Kindheit an, und ich habe ihn nie mit Ehrfurcht behandelt. Ich kannte ihn, aber sein Titel war für mich
Weitere Kostenlose Bücher