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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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angesprochen. Ich verstehe nicht genau, was sie sagen, jedoch in etwa, worum es geht. Es geht um uns. Was wir hier machen, fragen sie. Bahram spricht mit ihnen und gibt uns zu verstehen, dass wir langsam aufbrechen sollten. Auf meine Frage, um was es geht, kriege ich nur die Antwort alles gut. Ich verstehe nicht, aber die Situation scheint brenzlig zu sein.

    Zügig verlassen wir diesen Ort in unserem Konvoi, um auf die andere Seite des Berges zu gelangen. Dass die Sonne gerade untergeht, wirkt auf mich irgendwie bedeutungsschwer.

    Wir sind auf der anderen Seite des Berges angekommen. Hier wirkt alles sehr improvisiert. Die Wohnhäuser sind aus Lehm und Stroh gebaut. Die Straßen sind nicht asphaltiert, alles ist matschig. Es sieht aus, als wäre man in der Zeit zurückgereist.
    Wir erreichen eine Straßensperre. Es ist die erste Sperre, an der wir nicht wie üblich kurz angehalten, sondern sofort durchgewinkt werden. Die Polizisten, so sagt uns Tabea, würden zu ihrem eigentlichen Gehalt noch ein zusätzliches von den Taliban erhalten, damit sie nicht allzu genau kontrollieren, wer von dieser Seite der Berge aus in Richtung Zentrum fährt.

    Ich sehe kleine Kinder in zerschlissenen Jacken und in bunten Flip-Flops im Schnee stehen.
    Ab und an werden Benzinkanister verkauft. Daneben wird Gegrilltes oder frisch gebackenes Brot oder Gemüse angeboten.
    In Gestellen, die man kaum als Käfige bezeichnen kann, befinden sich Hühner und Tauben. An einer Ecke hüten zwei Kinder eine kleine Herde Ziegen.

    Die Kanalisation, oder sagen wir lieber Gosse, läuft wie überall in Kabul direkt neben der Straße. Jeder, der in sein Haus gelangen möchte, muss auf einem kleinen Steg aus Brettern über einen Bach aus Exkrementen steigen.

    Kanalisation in Kabul

    In unserem Wagen ist es still geworden. Sehr still. Manchmal macht man blöde Witze, um Dinge nicht realisieren zu müssen. Hier und jetzt ist keinem danach zumute. Ein kleines Mädchen winkt mit vor Kälte zu Fäusten geballten Händchen unserem Konvoi hinterher. Ich muss weinen.
    Bahram sagt, dass diese Seite des Berges, an der wir uns gerade befinden, noch vor ein paar Jahren nicht bewohnt war. Die Menschen, die hier leben, kommen aus anderen Gebieten, aus denen sie vorm Krieg geflüchtet sind. Die meisten haben dort, wo sie herkommen, Berufe und Häuser und eine Familiengeschichte gehabt.
    Zehn Minuten später sind wir wieder auf einer belebten Straße. Prächtige Häuser blinken bunt. Es sind die Hochzeitshallen von Kabul. Hier wird geheiratet.
    Kabul, die Stadt mit den zwei Gesichtern. Vor dem Berg und hinter dem Berg.

Afghanisches Abendessen
    Als wir, noch in Deutschland, mit der Planung der Reise beschäftigt waren, wünschten wir uns, am normalen Alltag der Afghanen teilhaben zu können. Wir fragten also Tabea, ob es möglich sei, mit einer afghanischen Familie zu Abend zu essen, um etwas über ihren Tagesablauf zu erfahren. Und da die Afghanen alle sehr gastfreundlich sind, war das auch in keiner Weise ein Problem.
    Unser heutiger Gastgeber heißt Aziz. Er arbeitet für die Regierung.
    Tabea sagt uns, dass die Familie von einem durchschnittlichen Gehalt leben muss und weder in einer Top-Gegend noch in einem der schlimmen Stadtteile wohnt.

    Unsere Fahrer lassen uns am Treffpunkt aussteigen und fahren dann weg. Man beruhigt uns, die Autos würden wiederkommen, sie sollten nur nicht zu lange und für alle Nachbarn sichtbar vor der Tür herumstehen, weil die Fahrzeuge, in denen wir gefahren werden, auch von Mitgliedern der Regierung oder von Warlords genutzt werden. Das würde zu viele Fragen aufwerfen. Und könnte zu einer Gefahr für unsere Gastgeber werden.
    Das Prinzip ist absurd, denke ich: Der eine arbeitet für die Regierung, der andere ist hochgradig kriminell – aber in Kabul fahren sie, wenn auch nicht gleichzeitig, mit den gleichen Autos. Man erklärt mir, dass die Trennung hier nicht so scharf zu ziehen sei.

    Bevor man ins Haus eintritt, wird der Hof breiter. Zur einen Seite liegt der Eingang in den Wohnbereich, dahinter separat die Küche, aus der es schon nach Essen duftet. Es riecht nach Reis und Lamm.
    Auf dem Hof liegt ein Teppich, auf dem wir unsere Schuhe ausziehen. Am Eingang stehen bereits die Damen des Hauses, um uns in Empfang zu nehmen.
    Hierzu sei gesagt, dass es in Afghanistan keinesfalls selbstverständlich ist, dass man, wenn man zum Essen eingeladen wird, auch die Ehefrau und die Töchter des Gastgebers zu Gesicht bekommt oder vor dem

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