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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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befinden sich ein Swimmingpool und ein etwa drei Meter hohes, umzäuntes, aus Stein gebautes Vogelhäuschen, in dem es sich ein Dutzend Tauben bequem gemacht haben.
    Die Afghanen lieben Tauben. Sie stehen für Freiheit, sagt mir der Hotelmitarbeiter und führt mich dabei in den hinteren Trakt des Hotels. Hinterer Trakt mit Sicht nach hinten. In Deutschland wäre das ein willkommener Grund, sich in derselben Sekunde in die Beschwerde-Hotline von TUI einzuwählen, um mal ordentlich Dampf abzulassen. Aber nicht in Kabul.
    Lass mal alles ruhig schön hinten sein, denke ich mir. Lass hohe Mauern um mich sein, sodass man mich in meinem hinteren Trakt, in meinem hinteren Zimmer, erst ganz zuletzt findet, bevor man mich erschießt.
    Der Hotelmitarbeiter öffnet mir die Tür meines Hotelzimmers. Ich stehe in einem circa zwei Meter fünfzig mal zwei Meter fünfzig großen Raum. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, fertig ist die Laube. Die Einrichtung des Zimmers erinnert mich an die letzten Bilder von Osama bin Laden bei CNN, wie er dort auf dem Boden seines Zimmers hockt und Fernsehen guckt. Genau die gleiche Einrichtung. Die Angst, dass er doch nicht tot ist und gleich bei mir aus dem Wandschrank springt, ist groß. Ich schaue nach und bin erleichtert. Ich bin alleine in meinem Zimmer. Die Heizung ist so laut, dass ich erst denke, über dem Hotel kreist ein Helikopter. Trotzdem ist es elend kalt. Ich streiche über die Heizung und merke, dass sie äußerst introvertiert ist. Sie heizt nach innen. Für sich selbst.
    Weiter geht’s ins Bad. Getrennt werden die Räume nur von einem Duschvorhang. Bei der eingehenden Betrachtung hier kommt mir meine Zeit als Gas- und Wasserinstallateur zugute: ich schaue den Heißwasserboiler an und kombiniere haarscharf. Da die unten aus dem Gerät gehenden Zulaufrohre zur Dusche und zum Waschbecken gekappt sind, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, hier heute eine heiße Dusche zu nehmen. Es ist erstaunlich, wie schnell Bedürfnisse über den Haufen geworfen werden können. Alles nicht wichtig, denke ich mir. Und das mit der Heizung, das ist auch kein Problem. Dann gehe ich halt in Klamotten pennen. Das habe ich damals, als ich in Berlin-Neukölln auf dem zweiten Hinterhof gewohnt habe und kein Geld hatte, um mir Kohle für meinen Ofen zu leisten, auch immer so gemacht. Ich schreibe hier ein Buch und drehe für eine TV-Dokumentation. In keinem dieser Medien wird klar werden, dass ich jetzt schon stinke und dass im Laufe der Zeit noch einiges an Geruchsexplosionen dazukommen wird. Ein Gutes hat das Zimmer: man kann hier drin rauchen, bis man umfällt. Ich klappe meinen Laptop auf und stelle ihn auf einen Stuhl, den ich ans Bett ziehe. In voller Montur, mit der Bettdecke bis zum Hals zugedeckt, schaue ich noch zwei Folgen meiner mitgebrachten US-Serie. Ich rauche dabei und esse zollfreie Weingummis. Den Wandschrank, dessen Türen ich offen gelassen habe, habe ich ständig im Blick. Hier versteckt sich heute keiner mehr, denke ich mir, und schlafe ein.

Besuch eines TV-Senders – Channel One
    Obwohl es in der Nacht nicht geschneit hat und die Straßen für Kabuler Verhältnisse okay sind, bewegen wir uns wieder in Schrittgeschwindigkeit durch die Stadt.
    Wir fahren ungefähr zehn Minuten und biegen dann in die Einfahrt zu Channel One in Kabul ein. Hinter einem Tor kontrollieren Wachleute unser Auto, dann fahren wir weiter in Schlangenlinien um fette Absperrungen aus Zement und Stahl herum.

    Das Zentrum von Channel One ist ein Wohnhaus mit Nebengebäuden. Der Parkplatz ist klein. Die meisten Fahrer warten bei ihren Fahrzeugen, weil immer umrangiert werden muss, wenn ein neues Auto parken möchte.
    Zuerst werden wir uns mit Christoph und seinem Chef treffen, damit die beiden uns einiges zu Channel One erzählen können.

    Wir sitzen nun im Büro des Begründers und Besitzers von Channel One, Fahim Hashimy. Eine sehr elegante, aber nicht aufdringliche Erscheinung.
    Christoph hat uns gestern schon ein paar Sätze zu Fahim Hashimy gesagt. Er hat Millionen mit Benzinverkäufen verdient und danach die Group One gegründet. Zur Group One gehören Channel One und weitere Medienunternehmen.
    Ich trinke Tee, schaue mich um und höre zu. Christoph erzählt von den Formaten, die Channel One zeigt. Jede Stunde gibt es Nachrichten. Regional, national und international. An eigenen Formaten gibt es unter anderem eine Koch- und eine Late-Night-Show. Sie kaufen aber auch Serien aus dem Ausland ein, zum Beispiel Alarm

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