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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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gemustert.
    Hauptsache – wir sind da.
    Schon in Deutschland war klar, dass wir in keinem der bekannten Hotels in Kabul wohnen wollten, in denen Journalisten aus aller Welt residieren und damit ein attraktives Anschlagsziel bieten. Selbst wenn man dort in einem Zimmer im ersten Stock wohnt, um in brenzligen Situationen aus dem Fenster springen zu können – was ist, wenn die Attentäter mit Panzerfäusten arbeiten? Wenn sie von außen wahllos ins Gebäude schießen?

    Mein Hotelzimmer

    Nein, ich wollte in einem unbekannten Hotel, in einem Gästehaus wohnen, in dem auch Afghanen, die auf der Durchreise sind, übernachten.
    Unser Hotel ist vom Büro unserer Gastgeber in etwa fünfzehn Sekunden zu erreichen. Keine zwei Häuser nebenan. Ein Katzensprung. Aber: Zuerst versammeln wir uns im umzäunten Innenhof, der zur Straße führt. Der Sicherheitsmann, der den Innenhof bewacht, entsichert seine Kalaschnikow. Unser Sicherheitschef, der Mann, der für unseren kompletten Aufenthalt in Afghanistan zuständig ist, öffnet das Tor zur Straße. Er geht raus, und nach ein paar Sekunden bekommen wir das Zeichen, dass wir losgehen können. Die Straße – so wie uns erzählt worden ist – ist sehr gut bewacht. Trotzdem schaue ich immer wieder nach rechts und nach links und halte Ausschau nach Scharfschützen. So stirbt man hier doch, oder? Ein schneller, gezielter Schuss in den Kopf. Irgendwo aus einer Deckung, von irgendeinem Dach in der Nähe. Für einen Sprengstoffattentäter wären wir aber eine zu kleine, nicht lohnenswerte Gruppe. Außerdem sind die Leute, die uns auf der anderen Straßenseite begegnen, nicht nah genug an uns dran. Plötzlich schreit einer irgendetwas. Nichts Langes. Irgendein Kommando. Was ist los? Ich verstehe ihn schließlich nicht. In einem Haus, vor dem wir nun stehen geblieben sind, öffnet sich eine Wellblechtür mit einem eingeschnittenen Guckloch. Es erinnert ein bisschen an die Einlasskontrollen der illegalen Hinterhofklubs in den 90ern. Ein Mann tritt heraus und lächelt uns freundlich an. Er macht eine Geste, die mir zu verstehen gibt hier rein. Wir passieren die Wellblechtür und stehen nun in einem quadratmetergroßen Vorraum. Irgendwo wird ein Knopf gedrückt. Das Schloss einer weiteren Wellblechtür öffnet sich. Nach einem kurzen Weg durch einen sehr engen, dunklen Flur stehen wir in der Lobby des Hotels, dessen Einrichtung, ich weiß nicht zur welcher Zeit, vor dreißig oder vierzig Jahren, schon mal bessere Tage gesehen hatte.
    Gleich wird Quentin Tarantino aus irgendeiner Ecke auf mich zu rennen und mir vor Wut an die Gurgel springen, da ich gerade mitten in die Dreharbeiten zu seinem neuesten Film hineingeplatzt bin, mitten in die Hotelkulisse, die für zig Millionen Dollar aufgebaut worden ist und die, wenn ich nicht ins Set gelaufen wäre, nun wenige Sekunden später in die Luft gesprengt worden wäre.
    Wenn sie noch leben würde, hätte ich aber auch in einer Theaterkulisse von Heidi Kabels Ohnsorgtheater stehen können, die gerade an einer Neuauflage von Tratsch im Treppenhaus probt.
    Die Lobby ist dunkel. Zu sehen ist eine Sitzecke aus Ledersofas, auf denen zwei Afghanen sitzen und sich, während sie sich unterhalten und Nüsse essen, ein drei Tage altes Bundesligaspiel über einen nagelneuen Flachbildschirm, der an der Wand hängt, angucken.
    Kommentiert wird das Spiel von einem sehr bekannten afghanischen Moderator, der, wie man uns erklärt, aus Mangel an Moderatoren in Afghanistan so gut wie alles an- und abmoderiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Überall auf dem Boden befinden sich kleine rote Plastikschüsseln, die durch die Decke tropfendes Wasser auffangen.
    Wir bekommen unsere Schlüssel und gehen durch die Lobby. Dabei kommen wir an einem kleinen, spärlich eingerichteten Frühstücksraum vorbei. Zwei Tische mit jeweils drei Stühlen. Hinten an der Wand steht ein Frühstücksbüfett. Darauf steht deutlich erkennbar eine Thermoskanne, genau das gleiche Modell wie bei uns in Deutschland, denke ich.

    Mein Hotelzimmer

    Wenn ich morgens irgendwo am Set stehe, signalisiert mir diese Thermoskanne immer, drück mich, in mir befindet sich ein wohlschmeckendes, heißes, braunes Serum, welches dich wachküssen wird. Hurra, denke ich mir, morgen nach dem Aufstehen wird es Kaffee geben.
    Der Mitarbeiter des Hotels führt uns zu einer Glastür, die zum Hinterhof geht. Alles ist wie überall in Kabul umringt von hohen Mauern und Stacheldraht. In der Mitte des Hofes

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