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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Abkürzung quer durch den Wald zur Kirche. Huuskonen benutzte diese Loipe, um von der Bärenhöh­ le zum Pfarramt und zurück zu gelangen, und so konnte seine Frau das Auto behalten. Unter der Woche sauste der Pastor auf seinen Skiern manchmal bis in die entle­ gensten Winkel der Gemeinde, wenn dort der Bibelkreis tagte oder wenn irgendwo ein altes Mütterchen im Ster­ ben lag und die ermunternden, tröstlichen Worte des Geistlichen brauchte. Für einen Fünfzigjährigen lief Huuskonen wie ein Titan, seine physische Kondition hatte während der Monate in der Bärenhöhle auf gera­ dezu wundersame Weise zugenommen. Man muss na­ türlich bedenken, dass er außerdem im Spätsommer vertikalen Speerwurf betrieben hatte, was eine harte Disziplin war und viel Kraft erforderte.
    Selbstverständlich verbrachte der Pastor seinen Win­ terurlaub auf dem Hof Rehkoila in der Bärenhöhle. Zusätzlich zum regulären nahm er noch unbezahlten Urlaub, sodass er ohne Unterbrechung bis Ende Febru­ ar in der Höhle liegen konnte. Da hatte dann auch Sonja reichlich Zeit, über Glaubensfragen nachzudenken, zumal sie einen eifrigen Kirchenmann mit seiner ganzen tiefgründigen Bibelkenntnis zur Hand hatte. Sonja war eine empfängliche Jüngerin, und ihre religiöse Erwe­ ckung war dermaßen tiefgehend, dass sie vor dem Pas­ tor ein Sündenbekenntnis ablegen wollte. Beichtvater seiner Geliebten mochte Oskari allerdings nicht werden. So kühlte sich ihre Beziehung ab, und die körperliche Liebe kam wegen Sonjas Sündenbewusstsein fast zum Erliegen. Das habe ich nun davon, dachte Huuskonen verdrossen, die Frau ist tatsächlich dem Glauben verfal­ len. Beabsichtigt hatte er das keineswegs. Gläubige Frauen, vor allem junge, waren schwierige Fälle, das wusste er nur zu gut. Religiöse Erweckung äußerte sich unter Umständen wie ein Anfall von Geistesgestörtheit, und bei vielen blieb der Wahnsinn erhalten.
    Im Dorf wurde getratscht, dass der Pastor einen zwei­ ten Frühling der schlimmsten Sorte erlebe und wie wild hinter den Frauen her sei, der alte Bock. Diese Reden wurden auch ihm selbst zugetragen, aber er reagierte gelassen. Er erklärte, dass ein alternder Mann keines­ wegs ein bemitleidenswerter Trottel sei, der an seinem Lebensabend jungen Frauen verfalle. Im Gegenteil, es handle sich um ein unumstößliches Naturgesetz: Der alte Leithammel sammelt seine Herde um sich, so ma­ chen es die Elche oder Rentiere, und das stärkste männ­ liche Exemplar der Gegend jagt die jungen Anfänger davon, um sich selbst um die Weibchen zu kümmern und so die Lebenskraft der Herde zu beleben und zu erhalten.
    Seine Frau versuchte ihn immer wieder zur Vernunft zu bringen und bat ihn, wenigstens nominell nach Hau­ se zurückzukehren, aber er lief auf seinen Skiern zur Bärenhöhle, sowie es seine Amtsgeschäfte zuließen. Er gab Saara gegenüber zu, dass er ein wenig seltsam geworden sei, doch hielt er sich keineswegs für verrückt. Er war halt ein wenig verschossen in die Bärenforsche­ rin aus Oulu und half ihr bei ihrer wichtigen wissen­ schaftlichen Arbeit. Darin sah er nichts wirklich Böses, und eine eigentliche Sünde schon gar nicht. Er schlug seiner Frau vor, dass sie im Sommer mit dem Bären eine gemeinsame Urlaubsreise machen sollten, etwa nach Lappland oder in eine europäische Gebirgsregion.
    »Mit dir Lustmolch fahre ich nirgendwohin«, erklärte sie finster. »Und der verfluchte Bär kommt mir nicht mehr ins Haus, das sage ich dir«, fügte sie nachdrück­ lich hinzu.
    In diesem Winter wurde die Bärenhöhle auf Rehkoila zum provisorischen Pfarramt. Alle dienstlichen Telefon­ gespräche für den Pastor wurden dorthin umgeleitet. Aus der Bärenhöhle gab er seine Anweisungen für die christliche Arbeit und leitete seine Gemeinde. Geruhsam bereitete er in der Stille der Höhle seine künftigen Pre­ digten vor.
    Doch der Winter neigte sich dem Ende zu, und der Urlaub war vorbei. Oskari Huuskonen kam unter dem Schnee hervor und schnallte seine Skier an, um in der Diakonie Andachten zu halten, er predigte in der Kirche wie zuvor und lief zur Nacht wieder zur Höhle zurück. Aber eines Tages tauchte dort seine Gattin Saara auf und erkundigte sich bei der Witwe Rehkoila, wo ihr Mann sei.
    »In der Höhle ist er, der Pastor. Dort machen sie Wis­ senschaft. Besser, man stört sie nicht, womöglich wacht Sapperlot auf.«
    Aber Frau Huuskonen hatte ein offizielles Anliegen und war nicht aufzuhalten. Sie griff sich die Schnee­

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