Ein Bär im Betstuhl
erzählte seinerseits von den schweren Hungerjahren in Finnland um 1860, damals hätte man dort ebenfalls Reeder gebraucht, die die Armen, die sich von Rindenbrot ernähren mussten, zu den Fleischtöpfen jenseits des Atlantik gebracht hätten.
»Damals gab es in Finnland mehrere Missernten hin tereinander, und die Bettler erfroren scharenweise im Schnee«, beschrieb Huuskonen die schlimmen Prüfun gen seines Volkes.
Sie plauderten dann ein wenig über die kriegerischen Großmächte. Die Iren hatten einen großen östlichen Nachbarn, England, allesamt Teufel, die Briten. Auch Finnland hatte stets seinen Ärger mit dem großen und mächtigen Land im Osten, mit Russland, gehabt, aus Huuskonens Sicht ein mindestens ebenso schwieriger Nachbar wie England, was O’Connor bereitwillig zugab.
»Aber Glaubenskriege, so wie wir sie kennen, habt ihr nicht gehabt.«
Pastor Huuskonen bestätigte, dass zum Beispiel im Winterkrieg nicht um den Glauben gekämpft worden sei, wenngleich in seinem Verlaufe in Finnland mehr gesun gen und gebetet worden sei als je zuvor.
Als sie beim Thema Religion waren, schlug O’Connor vor, dass Huuskonen als Pastor, der er war, hin und wieder für die Oihonna, ihre Passagiere und ihre Besat zung beten solle. Das Schiff war schon alt und die Weltmeere manchmal unberechenbar.
Der Pastor erklärte, dass diese Gebete nicht viel nüt zen würden, da er eigentlich seinen christlichen Glau ben aufgegeben hatte und sich nur noch auf den gesun den Menschenverstand verließ, wenn es den in der heutigen Welt überhaupt noch gab.
»Außerdem sehe ich eigentlich nichts, was an diesem Schiff zu beanstanden wäre, es ist doch eigentlich recht ordentlich in Schuss.«
Der Kapitän bekannte, dass die Oihonna eigentlich nur noch durch ihren äußeren Farbanstrich zusammen gehalten würde. Sie war ein verrostetes Wrack der Mee re, das musste er leider sagen. Nach Odessa war er eigentlich nur gefahren, weil sich dort die Beamten der Schiffsaufsichtsbehörde bestechen ließen und er mit den Zeugnissen, die sie ausstellten, noch eine Weile weiter fahren konnte.
»Wenn dein Glaube schwach ist, steht es um diesen Kahn umso schlimmer, da sind Gebete wirklich ange bracht.«
Außerdem sagte der Kapitän, dass Pastor Huuskonen auf der Stelle wieder fromm würde, wenn er wüsste, wie schlecht es um das Schiff wirklich stand.
Huuskonen bekam einen Schreck. Er fragte, ob denn das Schiff nicht verschrottet werden musste, wenn es in so schlechtem Zustand war. Hier wurden ja Menschen leben gefährdet, das Schiff konnte sinken.
Der Kapitän gestand, dass er in letzter Zeit fast pau senlos darüber nachgedacht habe. Aber für diesen Sommer habe er noch Mittelmeerreisen verkauft, und das werde dann auch der letzte Sommer des Schiffes sein. Im Herbst werde er es als Schrott verkaufen, und damit sei die Geschichte der Oihonna zu Ende.
»Ich selbst fahre heim nach Irland und trinke Bier, und zwar bis ans Ende meines Lebens, jeden Tag, und das Meer sehe ich nicht mal an. Aber in diesem Sommer muss ich noch fahren, und wenn das mit Gottes Hilfe gelingt, umso besser. Noch besser wäre es, du würdest deinen Bären überreden, für den guten alten O’Connor zu beten. Ich habe das Gefühl, es könnte helfen«, sagte er ernst.
DER GLÄUBIGE PETZ
Anfang Juni fuhr die Oihonna durch die Dardanellen in die Ägäis, es gab keine Zwischenfälle. Kapitän O’Connor blieb gelassen, und Oskari vermutete, dass das seine Gebete bewirkten. Er hatte sich nämlich der Sache angenommen, wandte sich morgens und abends an den Allmächtigen und schlug ihm vor, das Schiff noch diese Saison unter glücklichen Winden segeln zu lassen.
Beelzebub bediente in der Bar, täglich wurden Andachten gehalten, abends trat der Bär im Nachtklub auf… und in den Zwischenzeiten saß Oskari in Tanjas Funkkabine und horchte auf Botschaften aus dem All. Er hatte von den in Solowezk empfangenen Signalen hochwertige Kopien gemacht und starrte sie mit ernster Miene an. Denn er glaubte immer noch, dass sich auf den Seiten eine Botschaft aus fremden Welten verbarg, und hatte beschlossen, das Rätsel zu lösen, selbst wenn er den Rest seines Lebens darauf verwenden musste.
Auch in Zypern wurden sie von Presseleuten empfan gen: Auf dem Fußballplatz von Limassol veranstaltete der Pastor eine Schauandacht, an der Hunderte Leute teilnahmen. Beelzebub sammelte eine tüchtige Kollekte.
Oskari Huuskonen bat Tanja, der Witwe Rehkoila in Finnland
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