Ein Ballnachtstraum
sich. Es bleiben uns nur noch zwei Stunden, ehe die Karosse Sie abholt. Ihr Bruder hat das Haus bereits verlassen, um nicht im Weg zu sein, wenn Sie sich ankleiden.“
Devon goss sich dampfend heißen Kaffee aus der Silberkanne ein und warf Drake über den Frühstückstisch hinweg einen neugierigen Blick zu. „Du hast wohl nicht vor, an der Trauung teilzunehmen, wie ich vermute?“
Drake lächelte dünn. „Nein. Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn ich den Bruder der Braut vermöbeln würde.“
„Das dachte ich mir. Schließlich verabscheust du Hochzeiten ebenso wie ich.“
Drake nickte abwesend, während er die Morgenpost durchsah.
„Warst du es nicht, der sagte, Hochzeiten bringen dich auf Selbstmordgedanken?“, fragte er Drake im Plauderton.
Drake verschränkte die Hände hinter dem Kopf und betrachtete die Zimmerdecke. „Sagte ich das?“
„Bei Hochzeiten weinen alle Frauen. Ich frage mich nur, wieso? Dabei sollte der Bräutigam Tränen vergießen. Mir treibt der bloße Gedanke an Heirat das Wasser in die Augen.“ Wieder musterte er seinen Bruder forschend, als wolle er eine unbedachte Antwort aus ihm herauskitzeln. „Drake?“
Er starrte Devon stirnrunzelnd an. „Was?“
„Hast du eigentlich gehört, was ich sagte?“
„Aber natürlich.“ Drake warf einen Briefumschlag auf den Tisch. „Hochzeiten verwandeln dich in einen Wasserfall.“
Devon lächelte beunruhigt. „Richtig. Und an diesem Punkt erwarte ich von dir, dass du mir mit allem Nachdruck zustimmst und deinem Wunsch Ausdruck verleihst, den Rest deines Lebens als Junggeselle zu verbringen.“
„Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Drake unvermittelt. Er fühlte sich ruhelos, ohne zu wissen, warum. Er wollte Eloise sehen, obgleich er wusste, dass sie ihre letzten Pflichten für die Thorntons bis zum späten Nachmittag zu erfüllen hatte. Es würde ihn allerdings nicht wundern, wenn Thalia, die verzogene Göre auch noch darauf bestehen würde, Eloise solle sie und ihren frischgebackenen Gemahl auf die Hochzeitsreise begleiten.
Aber das würde er zu verhindern wissen. Die ewige Warterei hing ihm gründlich zum Hals heraus, wobei er sich ohnehin nie zuvor einer Frau gegenüber so geduldig und verständnisvoll gezeigt hatte. Das konnte kein gutes Zeichen sein.
„Ach übrigens“, ergriff Devon wieder das Wort, dessen Unbehagen sichtlich wuchs, da Drake mit keiner Silbe in sein Loblied auf das Junggesellendasein einzustimmen bereit schien, „gestern traf ich Maribella mit ihrem Earl bei Audrey.“
„Aha?“
Devon schöpfte Hoffnung. „Sie lässt dich herzlich grüßen und erwähnte, sie trage sich mit der Absicht, nächste Woche mit dem Earl eine längere Reise anzutreten.“
„Wie schön für sie. Ende gut, alles gut.“ Drake schmunzelte innerlich bei dem Gedanken, dass die flammendrote Kurtisane in Wahrheit Mildred Hammersmith hieß und mit Eloise, ihrer vermeintlichen Rivalin, früher einmal ein rachsüchtiges Komplott geschmiedet hatte. Dieses Geheimnis würde er auch nie verraten. Mildred hatte den Wunsch, die berühmte Maribella St. Ives zu sein, und so wollte er sie auch in Erinnerung behalten.
Devon räusperte sich und schlug mit dem Löffel gegen seine Tasse. „Sie sagte mir außerdem, ich solle dich daran erinnern, Eloise zu beschützen, sonst kannst du was erleben.“
Drake gab ihm wieder keine Antwort. Devon ließ den Löffel klappernd auf die Unterasse fallen. „Grayson und Jane haben die Familie zum Dinner heute Abend eingeladen. Kommst du mit? Wir können ja gehen, bevor die Moralpredigt beginnt.“
„Ich fürchte, das schaffe ich nicht.“ Drake erhob sich und griff nach seinem Gehrock über der Stuhllehne. „Ich habe dringende Angelegenheiten zu erledigen.“
Devon schob mit besorgter Miene seinen Stuhl zurück. „Ich könnte dich begleiten. Ich habe nichts Wichtiges vor.“
„Nein.“ Drake war bereits an der Tür. „Diese Sache muss ich allein erledigen.“
„Was musst du allein erledigen?“, fragte Devon verwirrt in die Stille.
„Gütiger Himmel!“, meinte Eloise und wandte sich vom Fenster ab. „Die Kutsche ist bereits vorgefahren und … es sieht nach Regen aus. Beeilen Sie sich! Sie dürfen sich nicht zu Ihrer eigenen Hochzeit verspäten.“
Sie wirbelte herum und stellte fest, dass sie mit sich selbst redete. Aber Thalia hatte doch eben noch hinter ihr gestanden.
„Wo sind Sie denn?“, rief sie ungeduldig in den Flur.
„Hier bin ich“, antwortete Thalia gereizt,
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