Ein Ballnachtstraum
Mantel und Handschuhe an, die Heston ihr brachte. Mittlerweile waren die Haushälterin Mrs. Barnes und zwei weitere Dienstboten durch den Lärm geweckt in der Diele erschienen und blickten mit sorgenvollen Mienen drein. Eloise nickte ihnen aufmunternd zu wie ein Soldat, der in die Schlacht musste.
„Passen Sie bitte auf sich auf, Miss“, murmelte Mrs. Barnes in mütterlicher Besorgnis. „Wie kann das leichtfertige Ding uns das nur antun?“
Eloise wandte sich zum Gehen. In ihrer Aufregung hatte sie vergessen, sich das Haar hochzustecken, das ihr höchst unschicklich über die Schultern wallte. Egal. Kein Mensch würde sie in der Dunkelheit sehen, und sie hatte eine Mission zu erfüllen - es galt, ein verwirrtes junges Mädchen vor den Verführungskünsten eines Schürzenjägers zu bewahren. Entschlossen presste Eloise die Lippen aufeinander. Niemand in diesem Haus konnte ahnen, dass auch sie leidvolle Erfahrungen mit einem Schürzenjäger hatte machen müssen, einem Betrüger, der ihr einst das Herz gebrochen hatte. Aber der Schmerz dieser leidvollen Prüfung hatte sie darin bestärkt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
6. KAPITEL
In der Regel waren Colonel Sir Gabriel Boscastle Gewissensbisse fremd. Wenn er sündigte, tat er es normalerweise mit einer willigen Frau, und wenn er sich an den Kartentisch setzte, hatte er es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun. Im Übrigen floss auch in ihm das feurige Blut der Boscastles, und er hatte seinen Beitrag zum berüchtigt schlechten Ruf des alten Adelsgeschlechts geleistet.
Wie der Zufall es wollte, hatten er und Drake sich wiederholte Male als Rivalen um die Gunst einer schönen Frau beworben, wobei sein Cousin letztlich meist den Sieg davontrug.
Es war nicht leicht, mit einem Meister zu konkurrieren, wobei auch Gabriel alle Register der Verführungskünste zu ziehen wusste. Die Ironie des Schicksals wollte es nun, dass die beiden einander am frühen Morgen auf dem Duellplatz gegenüberstehen würden. Eine Farce, da keiner den anderen verwunden wollte. Allerdings hätte er nichts dagegen, diesem Horace Thornton einen gehörigen Denkzettel zu verpassen, und Drake teilte gewiss seine Gefühle.
Es bestand freilich auch die Möglichkeit, dass Drake das Duell völlig vergessen würde im Rausch der Liebesnacht mit seiner neuen Mätresse. Gabriel hatte nur einmal einen Blick auf Maribella St. Ives in ihrer eleganten Karosse erhascht und war augenblicklich von ihrer Schönheit hingerissen gewesen. Es war ihm allerdings nicht gelungen, sich an ihren Leibwächtern vorbeizudrängen und sich ihr vorzustellen.
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich für Ihre Unterstützung bin“, murmelte Miss Goodwin und nahm auf der Sitzbank ihm gegenüber Platz. „Und ich danke Ihnen auch für Ihre Diskretion“, fügte sie eindringlich hinzu.
„Von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen“, versicherte Gabriel. Je länger er sie im Mondschein betrachtete, desto deutlicher fiel ihm auf, wie hübsch sie war mit ihrer brünetten Lockenfülle, die ihr über die Schultern fiel. Unter ihrem Mantel waren ihre üppigen Formen nur zu erahnen. Seinem Cousin waren ihre Reize bestimmt auch nicht entgangen. Und Gabriel hatte sehr wohl den rosigen Hauch bemerkt, der ihre Wangen überflog, als sie von Drake sprach. Er hätte nichts dagegen gehabt, die kleine Gouvernante näher kennenzulernen oder eine Mätresse zu haben wie Maribella St. Ives.
„Bruton Street“, sagte Miss Goodwin und spähte aus dem Wagenfenster. „Ich bin froh, dass die Adresse in einer vornehmen Gegend liegt.“
Vornehme Gegend war nicht zu leugnen. Aber die Adresse? Er hatte am früheren Abend zwar Einlass in Audrey Watsons Empfangssalon erhalten, aber ohne spezielle Einladung wurde keinem Gast der Zutritt in ihre heiligen Privatgemächer im oberen Stockwerk gewährt. In diesem Etablissement wurden Vergnügungen geboten, von denen Miss Goodwin vermutlich keinen blassen Schimmer hatte. Und der schlaksige junge Diener auf dem hinteren Trittbrett der Kutsche, der zu ihrem Schutz mitgekommen war, würde zweifellos denken, er sei unversehens ins Paradies geraten, wenn er einen Blick auf das sündige Treiben werfen dürfte.
Am Ende der Straße hielt die Kutsche hinter einer eleganten Karosse. Miss Goodwin seufzte erleichtert auf. „Ist das die Villa?“, fragte sie beim Anblick der vornehmen Fassade.
Gabriel beugte sich vor. „Ja.“
„Ein schönes Haus. Sehr respektabel.“
Gabriel verkniff sich ein
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