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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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zerrüttet, als würden sich meine Knochen in Schnüre verwandeln. Meine rechte Hand krampfte sich wie eine gefrorene Kralle um den Kristall. Mit Mühe und Not löste ich meine Finger davon.
    Wo vorher ein Stück Rauchquarz gewesen war, lag jetzt nur noch ein Haufen aschiges weißes Pulver, das sogleich durch Daedalus’ zitternde Finger rann, als ich meine Hand wegnahm. Abrupt gaben meine Knie nach und ich fiel zu Boden.

Kapitel 5
    Mühelos wie Melita
    Es war unglaublich, dachte Axelle. Ihre schwarzen Augen blickten ohne zu blinzeln auf die schwarze Kerze, die zwei Zentimeter über der Arbeitsplatte aus schwarzem Marmor schwebte. Ihre Gedanken waren ein nebulöses flatterndes Band am Rand ihres Verstands, während der größte Teil ihres Bewusstseins Magie spann.
    Axelle war noch nie zuvor in der Lage gewesen, eine Kerze schweben zu lassen, nicht mal, nachdem Melita ihre Kraft hatte anwachsen lassen und Axelle sich zweihundert Jahre lang immer wieder mal dem Studium der Magie gewidmet hatte.
    Aber jetzt hätten sie sie alle mal sehen sollen.
    Es fühlte sich an wie eine mühelose, elegante Erweiterung ihrer selbst, als würde sich ihr Wille über die Grenzen ihrer Person hinaus ausdehnen, um auf die Welt um sie herum einzuwirken, ohne dass sie sie hätte berühren müssen.
    Seit dem missglückten Ritus war alles neu. Sie hatte um mehr Kraft gebeten. Und sie hatte sie bekommen. Diese neu gewonnene Macht war berauschend. Sie wusste, dass sich alles in der Magie im Gleichgewicht befand – wenn sie mehr Kraft dazugewonnen hatte, hatte jemand anderer sie verloren. Aber, mal ehrlich, warum sollte sie das kümmern?
    » Miau?« Minou sprang neben der schwebenden Kerze auf die Theke. Seine Pupillen weiteten sich, als er das magische Feld wahrnahm, und als er die Kerze sah, schlug er mit der Tatze danach.
    Axelle blinzelte, die Kerze fiel herunter und der Zauber war gebrochen. Das Fell auf Minous Schwanz sträubte sich und er sprang von der Theke, um sich unter dem Sofa zu verstecken. Das Ganze hatte nicht länger als zwei Sekunden gedauert.
    Neben ihr gelang Manon ein halbes Lächeln, was das Freudigste war, was sie von ihr gesehen hatte, seit sie mit einem Koffer vor ihrer Tür aufgetaucht war. Ja, Sophie hatte es dieses Mal so richtig versaut. Nicht, dass Manons Plan irgendwie hätte funktionieren können – das war unmöglich. Man musste sich ja nur mal ansehen, was Marcel mitgemacht hatte. Axelle seufzte. Marcel. Wann würde er es endlich müde werden, sich wie eine kleine Gewitterwolke aufzuführen, die ihnen allen den Spaß verdarb? Denn bei der Göttin, sie war es müde.
    Sophie hatte Manons Vorhaben unterwandert. Hätte sie schlicht und einfach gar nichts gemacht, es hätte sich alles nach ihren Wünschen gefügt. Doch jetzt fühlte sich Manon betrogen, als hätte Sophie ihr einen Dolchstoß versetzt. Was Manon übrigens, wie sie alle wussten, bei ihrem Vorhaben auch nichts genutzt hätte.
    » Das konntest du vorher nicht, oder?«, fragte Manon.
    » Nein«, antwortete Axelle, während sie die Kerze vom Boden aufhob. » Seit dem Ritus bin ich stärker. Ich weiß nicht, wie das vonstattenging, aber es ist so.« Sie blickte zu Manon auf. Sie war den Anblick ihres kindlichen Körpers gewöhnt, die blonden Haare und die dunklen Augen, die in dem mädchenhaften Gesicht so seltsam alt, erschöpft und verbittert aussahen. » So fühlt sich Melita die ganze Zeit, weißt du? Mehr als das. Noch stärker.« Axelle blickte auf ihre perfekt manikürten Hände, auf ihre schlanken Finger, die auf einmal in der Lage schienen, nach Belieben magische Befehle zu erteilen.
    » Das habe ich vorher nie wirklich begriffen«, fuhr sie fort. » Wir alle wussten, dass sie unglaublich stark war, aber ich habe nie kapiert, was das eigentlich bedeutet. Das hat es bedeutet.« In kreisenden Bewegungen ließ sie ihre blassen Hände durch die Luft tanzen. Dabei wandte sie keine Magie an, sondern bewegte sie nur langsam und anmutig durch den Raum. » Es war wie ein Teil von ihr, leicht und natürlich. Ich meine, ich brauche nur etwas zu denken und schon kommt es zu zu mir. Davor schien alles immer so anstrengend. Aus Büchern lernen, sich Sachen merken, Abläufe immer und immer wieder üben. Das hier ist der Unterschied zwischen endlosem jahrelangen Geigenunterricht und der Gewissheit, als Virtuose geboren zu sein.«
    Manon sah sie an. » Fühlst du dich in Bezug auf die Magie jetzt wie ein Virtuose?«
    Axelle dachte nach. » Ja, so was in der Art.

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