Ein Band aus Wasser
behalten und mich angelogen.«
Manon sah sie an, während ihr langsam dämmerte, was das alles bedeutete.
» Dabei wart ihr beste Freundinnen«, stellte sie fest.
» Mehr als Freundinnen. Blutsschwestern.« Axelle spürte, wie sich ihre Wangen vor Ärger röteten. Oder vielleicht war es auch der Wodka. So viele Jahre hatte sie diese Gedanken verdrängt. Doch jetzt lagen sie ihr wie ein fortwährendes Ärgernis im Magen. » Dabei wollte sie gar keine Blutsschwester – sie wollte einen Lakaien. Sie wollte, dass ich unter ihr bleibe. Sie wollte mich zurücklassen. Das hätte ich ihr nie angetan.« Zornig nahm Axelle einen weiteren Schluck Wodka. Sie hatte schon zu viel gesagt.
Zum ersten Mal war sie wütend auf Melita, richtig wütend. Sie hatte die Freundin dafür gehasst, dass sie sie zurückgelassen hatte, andererseits hatte sie nie genau gewusst, was eigentlich passiert war. Vielleicht war ihr wirklich etwas Schlimmes zugestoßen – vielleicht hatte sie nicht zurückkehren können, vielleicht war sie aus irgendeinem Grund nicht unsterblich geworden, vielleicht war sie tot.
Doch jetzt wusste Axelle sicher, ja sie spürte es tief in ihrem Inneren, dass Melita nicht tot war, dass sie Axelle hätte mitnehmen können. Sie hätte ihre Macht teilen, hätte Axelle helfen können, stärker zu werden. Stattdessen hatte sie sich entschieden, Axelle klein zu halten.
Kapitel 6
Clio
Beim Aufwachen fühlte ich mich, als hätte ich die Nacht in einem Betonmischer verbracht.
Mein Wecker klang wie der Weltuntergang. Stöhnend drehte ich mich auf die Seite und haute auf den Aus-Knopf. Ich sah auf den Boden, der sich wie verrückt drehte, und merkte, dass ich kotzen musste.
Unser kleines Bad lag zwischen meinem Zimmer und dem von Thais. Ich stolperte darauf zu und stieß hart mit der Schulter gegen den Türrahmen. Keuchend sog ich den Atem ein, schlug die Tür mit dem Fuß zu und hätte es fast bis zum Klo geschafft, bevor es mir hochkam. Fast, wohlgemerkt.
Als ich endlich fertig gewürgt hatte, spritzte ich mir Wasser ins Gesicht und spülte mir den Mund aus. Ich blickte kurz in den Spiegel und stellte fest, dass ich schrecklich aussah – fleckig, grünlich, hohläugig. Mein Muttermal hob sich gegen meine unnatürlich bleiche Haut ab, als hätte mir jemand eine Himbeere gegen die Wange geschleudert. Ich schnappte mir ein Handtuch, säuberte den Boden und die Toilette, so gut ich konnte, und schob das Handtuch hinter die große, altmodische Badewanne, um es später zu holen und unauffällig zur Wäsche zu legen. Ich fühlte mich wie der wandelnde Tod. Oder, in meinem Fall, der wankende Tod. Das hier war ein Kater, der schlimmste Kater, den ich in meiner ganzen vergeudeten Jugend je gehabt hatte. Ein Kater, den eine gefährliche Magie hervorgerufen hatte, schwarze Magie, wie ich mir reuig und glühend vor Scham eingestehen musste. Eine Magie, die ich vor Nan und vor allem vor Thais geheim hielt.
Aber dieser unglaubliche Energiestoß, der von dem Kristall auf mich übergegangen war …
Wieder wurde mir die Kehle eng. Mit einer Hand raffte ich mein Haar zusammen, damit es über der Toilette nicht noch etwas abbekam.
» Clio! Zeit zum Aufstehen!« Von unten drang Nans Stimme dumpf zu mir herauf.
Ach du liebe Göttin, ich hatte ja heute Schule. Schande.
» Ich komme«, krächzte ich und hoffte, sie würde mich hören.
Nach ein paar weiteren Malen trockenen Würgens tastete ich mich zur Badezimmertür vor und lief die Treppen hinunter, wobei ich mich an das Geländer klammerte, um nicht hinzufallen und mir das Genick zu brechen. Ich hatte einen » schrecklichen Magen-Darm-Virus«, ganz klar, und Nan würde mir heute definitiv erlauben, zu Hause zu bleiben.
Beim Geruch von Kaffee und Toast hätte ich mich beinahe wieder übergeben, aber ich zwang mich, in die Küche zu gehen, um so viel Mitleid zu erregen wie möglich.
» Clio?«, rief Nan erneut. » Thais, vielleicht solltest du …«
» Hey«, sagte ich schwach, als ich die Küche betrat.
» Schatz, was ist los?«
Thais schenkte sich gerade einen Kaffee ein, doch beim Klang von Nans Stimme drehte sie sich um.
» Wow«, sagte sie. » Was ist denn mit dir los?«
» Ich weiß es nicht«, erwiderte ich jämmerlich und fühlte mich in diesem Moment auch so. Jämmerlich, verängstigt und bis auf die Knochen krank. Tränen traten mir in die Augen und ich legte den Kopf auf den Tisch. Wenn die wüssten …
Nan legte ihre kühle Hand auf meine Stirn. Plötzlich fürchtete
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