Ein Band aus Wasser
anderer war. Er versuchte nicht, mich für sich zu gewinnen, er verlangte nichts von mir.
» Und dann wollte ich noch sagen … seit du wieder lebst, scheint alles in Ordnung.« Er räusperte sich und blickte auf den Fluss. » Es ist mir egal, wie ich aussehe oder wo ich wohne. Es ist mir egal, ob du die Magie erlernst oder nicht, oder ob du bei Petra und Clio bleiben willst. Es macht nichts, wenn du mich nicht liebst, und es macht auch nichts, wenn dich jemand anders … Was auch immer dich glücklich macht, soll geschehen. Solange du hier auf dieser Welt lebst, ist alles gut. Und ich will auch leben. Solange du es tust. Das ist das Einzige, was mir wirklich etwas bedeutet.«
Für einen Moment konnte ich nichts sagen. » Melita meinte … ich sei so böse wie sie. Es liegt in meiner Familie, ist unvermeidlich. Ich habe Daedalus seine Kraft genommen. Nur jemand … wirklich Schreckliches könnte so etwas tun.« Ich sah auf meine verschrammten Holzpantinen und zupfte an einem Loch in meiner Cordhose herum.
Luc sagte nichts und schließlich blickte ich zu ihm auf.
» Thais, das Böse ist in allen von uns«, meinte er sanft. Er streckte den Arm aus und nahm meine kalte Hand in seine. » In mir, in dir, in Petra und Ouida, in jedem. Und genauso das Licht. Das Böse ist eine Wahl, die man trifft, ein Pfad, den man beschreitet. Und auch das Gute, das Licht, ist eine Wahl, die wir jeden Tag treffen müssen. Jeden Tag entscheiden wir uns gegen die Dunkelheit, gegen das Böse, tausende Male, unser ganzes Leben lang.«
» Ich fürchte, ich habe keine Wahl«, erwiderte ich, meine Worte kaum mehr als ein Flüstern. Dies war meine tiefste Angst, und es war niederschmetternd, sie laut aussprechen zu müssen.
Luc beugte sich zu mir herüber und küsste mein Haar. Ich wich nicht zurück.
» Die hast du, ich verspreche es dir«, sagte er fest. » Sogar Melita hat eine Wahl. Jeder hat das, immerzu. Ich glaube, dass du von jetzt an so gut entscheiden wirst, wie du nur kannst.« Er verschränkte seine Finger mit meinen. Es fühlte sich so unglaublich tröstlich, so unglaublich vollkommen an.
» Thais«, sagte er und klang plötzlich sehr unsicher. » Ich wäre … dir dankbar …, wenn du dich … irgendwie … entschließen könntest …« Er räusperte sich erneut. » … mit mir befreundet zu sein.«
Seine letzten Worte konnte ich kaum hören. Ich blickte auf unsere Finger hinunter, auf seine, die lang und gebräunt waren, und auf meine, die schmaler und blasser waren. Ich wusste, ich wollte seine Hand für immer halten, trotz allem, was passiert war.
» Ja«, erwiderte ich, und in diesem Moment schien die Last meines dunklen Erbes hundertmal leichter zu werden. » Ja, Luc. Ich werde … deine Freundin sein.«
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