Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
wie Viertel, in denen noch Menschen wohnten, in Schutt und Asche gelegt wurden. Ich war mit dem Dröhnen der detonierenden Bomben und Raketen, die den Boden meines ansonsten komfortablen Hotelzimmers erschütterten, eingeschlafen und wieder aufgewacht. Und hatte aus nächster Nähe die Gesichter der Menschen gesehen, die alles in ihrem Leben - oft auch die Familie - verloren hatten: die Angst, Hoffnungslosigkeit und Verwirrung Tausender Menschen, dicht gedrängt und mit den wenigen Habseligkeiten, die ihnen geblieben waren, auf einem Landungsboot, das sie in eine ungewisse Zukunft brachte. Bombardiert wegen nichts. Mit den »besten« Absichten, da bin ich mir sicher, es sind doch immer die besten Absichten, oder? Aber letztendlich wegen nichts.
Vom Bombardement direkt zu dieser E-Mail, in der sich mein Freund in weinerlichem, wehleidigem Ton über das Elend der streunenden Katzen von Denver oder einer anderen Stadt empörte. Streuner gebe es auch in Beirut, hämmerte ich wütend in die Tasten - ursprünglich in der Absicht, eine Mail in gemäßigtem, mitfühlendem Ton zu verfassen. Natürlich, erklärte ich, wo Menschen bombardiert und ganze Viertel in Trümmer gelegt werden würden, kämen
auch ein paar arme Hündchen zu Schaden. Ich erwärmte mich für mein Thema (vielleicht um ein paar Grad zu viel) und schrieb gehässig, wenn ganze Familien unter den Trümmern ihrer Häuser begraben würden, könnten die heimatlosen Tiere natürlich zum Problem werden. Gerade ein hoffnungslos überfülltes Flüchtlingslager hinter mir, spuckte ich nun Gift und Galle. Ich erweiterte meine Beispiele noch um die Erfahrungen, die ich bei meinen Reisen gemacht hatte, und wies darauf hin - mittlerweile war auch noch das letzte Fünkchen Anstand verflogen -, generell sollte man vielleicht einmal feststellen, dass überall, wo Menschen wie Tiere behandelt würden, in Slums, Favelas, Baracken und Lagern auf kleinstem Raum zusammengepfercht, die Tiere besonders schlimm leiden müssten. Süße Hündchen und Kätzchen, geschweige denn Delfine oder Breitmaulnashörner, sind den Leuten scheißegal, wenn sie kaum was anderes als Brot oder Maniokbrei zu essen haben - und selbst darüber noch froh sein müssen. Wo ein am Stock gebratener, verkohlter Affe (mit Fell) eine Familie vor dem Verhungern retten könne, schrieb ich, würden all die vermenschlichten Viecher, die wir so lieben - beispielsweise sein dämlicher Yorkshireterrier (ein Schlag unter die Gürtellinie) -, als Bushmeat betrachtet. Sadistisch trat ich noch einmal nach und erklärte, es gebe Orte auf der Welt, wo die Leute Angst hätten, dass nachts Männer mit schwarzen Lieferwagen kommen, ihnen einen Sack über den Kopf ziehen und sie wegbringen. Vielleicht, weil sie zufällig etwas gesagt haben, oder ein Nachbar meint, dass sie etwas gesagt haben könnten - oder weil jemand sie angeschwärzt hat, obwohl sie gar nichts gesagt haben.
Möglicherweise nannte ich als Beispiel Bukarest zu Ceauşescus Zeiten. Für den Bau seines pharaonenhaften Palastes wurde ein ganzes Viertel zwangsgeräumt und abgerissen. Der Bau des größenwahnsinnigen Projekts ließ die Zahl der ausgesetzten Hunde sprunghaft ansteigen, die bald große Rudel bildeten und sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit fortpflanzten. Aus den ehemaligen Haushunden wurden verwilderte Kreaturen, wilde, aggressive und hungrige Raubtiere, die die Straßen unsicher machten. Bestimmte Viertel von Bukarest wurden vor allem nachts zum gefährlichen Dschungel - wo die Hunde gegenseitig aufeinander losgingen, die Menschen auf die Hunde und die Hunde auf die Menschen. Da man davor nicht die Augen verschließen konnte, wurden die Volksvertreter gedrängt, etwas zu unternehmen. Schließlich wurden die Hunde eingefangen und getötet. Falls man den Tod des »Genies der Karpaten« und seiner Frau (der praktischerweise gefilmt und gesendet wurde) als Anhaltspunkt nehmen kann, hat man eine ungefähre Vorstellung, wie es dann erst den Hunden ergangen sein muss.
Ich glaube, ich beendete meine E-Mail, ein giftiges und grausames Meisterwerk, mit einem Hinweis auf die heiligen Kühe in Indien, die von den Menschen als Leben spendende und göttliche Geschöpfe verehrt und beschützt werden. Sie bewegen sich völlig frei, sind berühmt dafür, dass sie immer »Vorfahrt« haben, und können tun, was sie wollen. Man überlässt sie ihrem Schicksal, informierte ich meinen Freund, sie dürfen langsam verhungern, sich von dem Müll ernähren, den die
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