Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Nicht schön, wenn man das bei sich feststellt.
Ich war auch sonst wütend: auf meine Mutter, weil sie mich geboren hatte und weil sie so dumm war, mich zu lieben. Auf meinen Bruder, weil er sein Leben nicht so versaut hatte wie ich. Auf meinen Vater, weil er gestorben war.
Vor allem aber richtete sich meine Wut gegen mich selbst (das ist bei Leuten wie mir immer so. Ein Film, in dem man sein Leben lang der Star ist - jeder kennt das irgendwie), weil ich vierundvierzig und immer noch nur einen Anruf, einen geplatzten Gehaltsscheck davon entfernt war, auf der Straße zu landen. Weil ich mein Leben auf jede erdenkliche Art ruiniert, versaut und sabotiert hatte.
Fünf Jahre zuvor, nach einem dieser verrückten, unglaublichen Glücksfälle, die in meinem Leben immer wieder eintreten, hatte ich geschafft, wovon die meisten hoffnungsvollen Schriftsteller träumen, ich hatte zwei Romane veröffentlicht, die allerdings so spektakulär erfolglos waren, dass sie sang- und klanglos wieder aus den Regalen verschwanden und es nie ins Taschenbuch schafften. Damit, so hieß es, sei ich für die Verlage erledigt. Darüber - und vielleicht nur darüber - war ich ausnahmsweise einmal nicht wütend. Es
war ein netter Versuch gewesen, den ich mit keinerlei Erwartungen verbunden hatte, daher hatte ich auch in meinem eigentlichen Job weitergearbeitet - ich hätte mir gar nichts anderes vorstellen können. Die Sache war mir einfach so in den Schoß gefallen, ich kam mir von Anfang an wie ein Betrüger vor, daher hatte ich glücklicherweise nie unter der Wahnvorstellung gelitten, ich sei ein »Schriftsteller«. Zwei Stunden, in denen ich vollkommen allein an einem Tisch in einer Buchhandlung von Barnes and Noble in Northridge, Kalifornien, saß, ohne dass jemand mein Buch kaufen oder signieren lassen wollte, hatten mich von dieser Vorstellung kuriert. (Meine »Lesereise«, die ich selbst finanzierte und die nur aus diesem einen Auftritt bestand, war wieder so eine Schnapsidee von mir gewesen.)
Als ich mich Morgen für Morgen an meinen Schreibtisch setzte und Geständnisse eines Küchenchefs verfasste, hatte ich glücklicherweise keine Hoffnung, dass das Buch je außerhalb eines kleinen Kreises von Restaurantleuten in New York gelesen werden würde. In mir brodelte der Groll der Unzufriedenen, Neidischen und an den Rand gedrängten. Das Buch sollte Köche und Kellner unterhalten - alle anderen waren mir egal.
Was sich nachträglich betrachtet als ganz gute Strategie entpuppte, denn ich hätte das Buch nie schreiben können, wenn ich gewusst hätte, dass es tatsächlich jemand lesen würde.
Das Resultat war ein in vielerlei Hinsicht wütendes Buch - und seitdem erwartet man das von mir. Der wütende, zynische, bittere Typ, der bei Top Chef Gemeinheiten von sich gibt. Ich denke, es wäre ziemlich einfach, genau
so weiterzumachen: eine abgedroschene, aber todsichere Nummer mit langer Laufzeit, der verzweifelt böse Gastrotyp. »Rachael Ray? Was wollt ihr denn mit der?!« (Trommelwirbel, Tusch.) In gewisser Weise ist das bereits so passiert.
Aber wenn ich an jene gehetzten, verkaterten frühen Morgenstunden zurückdenke, an denen ich mit ungeputzten Zähnen und mit einer Zigarette im Mund schlecht gelaunt an meinem Schreibtisch saß, frage ich mich, ob ich damals über etwas wütend war, worüber ich auch heute noch wütend bin. Wer von all den Menschen und Dingen, die ich damals beschimpfte, hat meine Gehässigkeiten wirklich verdient?
Ich war sicher nicht sauer auf Emeril. Und die vielen Träumer und Spinner, die mich im Lauf der Jahre eingestellt hatten, waren - egal, welche Sünden sie begangen hatten - sicherlich keine schlechteren Menschen als ich. Tatsächlich hatte ich sie geliebt, weil sie so verrückt waren, mir hatten ihre Exzesse, ihre Dummheiten, ihre Gerissenheit oder Hinterlist, ihre Verschwendung - selbst ihre Kriminalität - immer gefallen. Fast jeden hatte die Entscheidung für die Restaurantbranche und den damit verbundenen Lebensstil weit, weit mehr gekostet, als ich bereit war zu bezahlen.
Ich war nie wütend auf meine Kollegen. Zumindest nicht dauerhaft. Schließlich waren sie es - Helden wie Schurken -, die mich all die Jahre bei der Stange gehalten hatten. Ich hatte die Kellnerinnen vielleicht als »Tellertaxi« bezeichnet und Witze darüber gemacht, sie flachzulegen, aber ich war immer der Ansicht: Wenn sich jemand nach der Arbeit mit mir wie ein Idiot fühlte, weil er viel Zeit verschwendet und sich umsonst
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