Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Knacken brechender Knochen ertönt, höre die anderen aber nur atmen, unter einem Dutzend Leinenservietten gedämpft die Luft durch die Zähne ziehen. Ich rieche einen Rest Armagnac, einen Dunst von Fettpartikeln, der in der Luft liegt, eine berauschende, köstliche Mixtur. Die Zeit verrinnt. Sekunden? Momente? Ich weiß es nicht. Irgendwo in der Nähe höre ich das erste Knacken winziger Knochen und beschließe, es auch zu wagen. Mit einem feuchten Knirschen schließe ich langsam die Backenzähne um den Brustkorb des Vogels und werde belohnt von einem brühheißen Schwall von Fett und Innereien, der sich in meine Kehle ergießt. Mir wird schwindelig, ich atme in kurzen, kontrollierten Stößen, während ich weiterkaue, langsam, sehr langsam.
Mit jedem Bissen vermischen sich die Knöchelchen und das Fett, Fleisch, Haut und Organe, ergeben sich mannigfaltige und wunderbare Aromen aus uralten Zeiten: Feigen, Armagnac, dunkles Fleisch und ein Anflug des salzigen Geschmacks, der von meinem eigenen Blut ausgeht, denn die scharfen Knochen stechen mir in den Gaumen. Während ich schlucke, ziehe ich auch Kopf und Schnabel hinterher, die noch aus dem Mund gehangen haben, und zermalme munter den Schädel.
Übrig bleibt Fett. Eine Schicht aus kaum wahrnehmbarem Bauchfett mit einem Geschmack, den man nie vergisst. Ich nehme die Serviette ab, und auch um mich herum sinken die Tücher auf den Tisch, und dahinter tauchen verzückt glasige Augenpaare auf, derselbe Ausdruck auf jedem Gesicht, mit dem Anflug eines schuldbewussten Lächelns, wie nach einem guten Fick.
Keiner nippt an seinem Wein. Alle wollen diesen Geschmack in Erinnerung behalten.
Rückblende, nicht allzu weit in die Vergangenheit. Immerhin kann ich mich noch lebhaft an den Gestank von lange nicht gewechseltem Frittierfett erinnern, an das abgestandene Warmhaltewasser, den versengten Grillrost mit der dicken Schicht alten Bratfetts.
Nicht gerade der Duft der Fettammer.
Ich arbeitete in einer Snackbar in der Columbus Avenue. Es war eine »Übergangsphase« in meiner Laufbahn, das heißt, ich vollzog gerade den Übergang von Heroin auf Crack, und ich trug ein weißes Polyesterhemd mit dem Namen der Wäscherei auf der linken Brusttasche, dazu eine
schmutzige blaue Jeans. Ich machte Pfannkuchen. Und diese verdammten Eggs Benedict, also getoastete englische Muffins mit pochierten Eiern. Nur auf einer Seite gebräunt; mir war alles egal. Ich bereitete Spiegeleier mit vorgebratenem Speck zu, der nur in der Grillpfanne erwärmt wurde, und eine Joghurtspeise mit fiesem Obstsalat und Körnern drin. Ich konnte Omeletts mit verschiedenen Füllungen machen, und die Leute, die sich an die Theke setzten und ihre Bestellung aufgaben, sahen geradewegs durch mich hindurch. Das war auch gut so, denn hätten sie mich wirklich angesehen, mir in die Augen geblickt, dann hätten sie vielleicht gemerkt, dass der Typ vor ihnen jedes Mal, wenn ein Kunde eine Waffel bestellte, ihn am liebsten an den Haaren gepackt, ihm mit einem schmierigen stumpfen Messer die Kehle aufgeschlitzt und ihm das Gesicht anschließend auf das verdreckte, klebrige Waffeleisen gedrückt hätte. Hätte das blöde Ding auch nur annähernd so schlecht funktioniert wie mit Waffelteig, hätte man dem Opfer das Gesicht anschließend mit einem Buttermesser abkratzen müssen.
Ich war, wie man sich denken kann, nicht sonderlich glücklich. Immerhin, so rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis, war ich Küchenchef gewesen. Ich hatte ganze Küchenbrigaden angeleitet, hatte die Macht kennengelernt, die Adrenalinschübe, wenn zwanzig oder dreißig Leute für einen arbeiten, die geballte Freude, die in einem Küchenteam herrscht, wenn es mit vollem Einsatz Gerichte kocht, auf die es zumindest im gegebenen Zeitrahmen und unter den jeweiligen Umständen stolz sein kann. Wer das sanfte Schmeicheln ägyptischer Baumwolle auf der Haut gespürt hat, dem fällt es besonders schwer, zu Polyester
zurückzukehren, zumal wenn darauf als Firmenlogo ein dicker, freundlicher Koch prangt, der sich den Schnurrbart zwirbelt.
Damals glaubte ich, mich am Ende eines langen, absurden, merkwürdigen, wunderbaren, in letzter Zeit aber zunehmend schrecklichen Weges zu befinden, auf den stolz zu sein ich keinen Anlass hatte. Abgesehen von der Suppe vielleicht. Ich kochte Suppe. Gulaschsuppe.
Ich kratzte mit dem Pfannenwender die Bratkartoffeln aus der Pfanne und drehte mich um, weil ich sie neben die bestellten Spiegeleier auf den Teller geben
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