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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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Liste stehen. Es ist nicht einzusehen, dass in den Familien die Tradition, ein absolut einwandfreies Stück Fleisch zu massakrieren, sei es in der Küche oder im Garten, von einer Generation an die nächste weitergegeben wird.
    Gemüse in den gewünschten Garzustand zu bringen ist leidlich einfach und sollte von jedem wahlberechtigten Bürger verlangt werden dürfen.
    Auch die Herstellung einer einfachen Vinaigrette kann und sollte jeder Mensch bewältigen.
    Frisches Obst und Gemüse einkaufen und zumindest eine Ahnung davon haben, welches Saison hat, welches reif oder verfault ist, sollte bis zur Führerscheinreife möglich sein.
    Einen frischen Fisch auswählen, putzen und filetieren erscheint mir als unabdingbare Überlebenskunst in einer immer unsteteren Welt.
    Das Garen eines Hummers, einer Krabbe oder eines Muscheltopfs könnte jeder durchschnittlich begabte Schimpanse bewerkstelligen, warum also nicht ein jeder von uns?
    Jeder Bürger sollte - ohne Thermometer - dazu in der Lage sein, ein Stück Fleisch so in den Ofen zu schieben, dass es annähernd im gewünschten Garzustand wieder herauskommt.

    Man sollte Kartoffeln braten und stampfen können. Und Reis zubereiten, und zwar sowohl in der gedünsteten als auch in der nur geringfügig schwierigeren gebrühten Variante.
    Von den Grundlagen des Schmorens profitiert jeder, denn wer weiß, wie man Bœuf bourguignon zubereitet, dem öffnet sich ein Tor zu einer Vielzahl weiterer Gerichte.
    Was mit Knochen zu machen ist - nämlich Brühe - und wie man Suppen zubereitet und somit effizient Reste verwertet ist eine Lektion in Sachen Sparsamkeit, die viele eines Tages werden lernen müssen . Es scheint angeraten, sie lieber früher als später zu üben.
    Jeder sollte immerfort dazu ermuntert werden, sein eigenes bescheidenes, aber individuelles Repertoire zu entwickeln, Gerichte zu entdecken, die er besonders mag, und so lange zu üben, bis er stolz auf das Ergebnis sein kann. Auf dass er seine Vergangenheit am Leben erhalte oder in der Küche seinen Träumen für die Zukunft Gestalt gebe. Jede Bürgerin und jeder Bürger hätte nun ihre oder seine eigene Kochkunst.
    Warum sollten wir das nicht schaffen können? Mir mag kein Grund einfallen.
    Lasst uns also zur Tat schreiten. Mit voller Kraft.

Die große Angst
    D ass schlimme Zeiten bevorstanden, wurde klar, als Steve Hanson ohne Vorwarnung oder sichtliches Bedauern die Schließung seines Restaurants Fiamma bekannt gab. Ja sicher, die Küche hatte schon seit ein paar Monaten enttäuscht, aber so lange war es gar nicht her, dass die New York Times dem Fiamma überschwänglich drei Sterne gegeben hatte. Der Küchenchef Fabio Trabocchi hatte in Blogs und in der Fachpresse viel Wohlwollen erfahren. Es war kurz vor Weihnachten, und in einem gewöhnlichen Jahr hätte der Gastronom sicher Gründe dafür gefunden, dass bald alles besser würde, und weitergemacht. Nicht in diesem Jahr. Hanson hatte die Zahlen studiert, die Presse gelesen, die Zukunft einer schnellen, aber eingehenden Prüfung unterzogen und war zu dem Schluss gekommen, dass ihm nicht gefiel, was er da sah. In derselben Woche schloss er die Türen des Fiamma und eines weiteren Restaurants am Times Square, des Ruby Foo.
    Egal, was man von Steve Hansons Restaurants halten mag - niemand hat ihm je Dummheit vorwerfen können. Bosheit vielleicht. Einen unsympathischen Charakter wahrscheinlich.
Aber nicht einmal seine Kritiker würden ihm seine Intelligenz absprechen. Wenn Hanson in diesem Augenblick, genau zu diesem Zeitpunkt, ausgerechnet vor den Weihnachtsfeiertagen, in seinem Paraderestaurant - wohl seinem besten, das bei den Meinungsmachern gut ankam - den Vorhang fallen ließ, so hatte das etwas zu bedeuten. Es war ein Warnschuss. Gastronomieinsidern führte es gespenstisch vor Augen, dass es nicht nur im Moment schlecht lief, sondern dass die Zukunft noch düsterer aussah.
    In einer Branche, die von Träumen, Illusionen und Aberglaube lebt, in der von der Hilfskraft bis zum Eigentümer jeder ständig Zeichen deutet - Warum ist heute so viel los? Warum nicht gestern? Wann ist wohl wieder viel los? -, drängelten alle zu den Gefechtsständen und forschten, was das alles zu bedeuten hatte, wie sie es aufhalten konnten, am besten, bevor »es« eintrat (was »es« auch immer sein mochte).
    Das Jahr 2008 war das annus horribilis , wie man solche Zeiten gern nennt, das Katastrophenjahr: Es herrschte Die Große Angst. Der Aktienmarkt brach ein, Rentenfonds verloren

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