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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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denen du zusammenarbeitest. Viele sind alkohol- und drogenabhängig oder werden es eines Tages sein. Du solltest dich daher hin und wieder fragen, ob du sonst noch irgendwas mit deinem Leben anfangen wolltest, mehr will ich dazu gar nicht sagen.
    Ich habe seit mehr als zwanzig Jahren kein Heroin mehr genommen, und es ist schon ziemlich lange her, dass ich geschwitzt und mit den Zähnen geknirscht habe, während draußen vor dem Fenster die Vögel zwitscherten.
    Von Koks und Dope wegzukommen ist keine Heldentat. Manche tun es, andere nicht.

    Ich hatte eben noch etwas anderes vor. Und ich habe eingesehen, dass ich nichts auf die Reihe bringe, solange ich meine ganze Zeit und mein ganzes Geld auf Koks oder Dope verschwende.
    Mit der »Sprache der Sucht« kann ich nichts anfangen. Heroin oder Kokain habe ich nie als »meine Krankheit« begriffen. Ich sehe sie als eine grottenschlechte Wahl, die ich bewusst getroffen habe. Ich habe mich selbst verarscht und musste am Ende ganz schön hart arbeiten, um mich wieder zu ent-arschen.
    Aber ich werde Ihnen hier nicht erzählen, wie Sie Ihr Leben zu leben haben.
    Ich will nur sagen, dass ich wohl viel Glück gehabt habe.
    Und Glück ist kein Geschäftsmodell.

Tugend
    N iemand bestreitet, dass es »besser« ist, so oft wie möglich zu Hause zu kochen.
    Ganz sicher ist es billiger. Fast immer ist es gesünder als das, was man sich irgendwo mitnimmt oder im Restaurant isst. Und wahrscheinlich ist es auch besser für die Gesellschaft.
    Wir wissen zum Beispiel, dass ein umgekehrt proportionales Verhältnis zwischen gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie und sozialen Problemen besteht. Grob gesagt werden Familienmitglieder, die gemeinsam essen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen Spirituosenladen überfallen, ihr Crystal-Meth-Labor in die Luft sprengen, ein Crackbaby zur Welt bringen, Selbstmord begehen oder Pornos mit Eseln drehen. Hätte Klein Timmy zu Hause nur ein bisschen öfter Hackbraten bekommen, dann hätte er später vielleicht nicht die Gefriertruhe mit Pfadfinderteilen gefüllt.
    Aber darum geht’s mir nicht.
    Mich interessiert, ob jeder kochen können sollte , als moralisches Gebot, ob es also jeder Junge und jedes Mädchen in der Schule lernen sollte, und wehe, er oder sie kann es
nicht. Ich frage mich, ob wir neue Werte prägen sollten, eine nationale Haltung, ähnlich wie in der Kennedy-Ära, als der Präsidialrat für körperliche Fitness und Sport den Grundsatz einführte, dass jedes Kind gesund sein solle . Jeder, hieß es damals, solle , nein, müsse , einigermaßen fit sein. Man sollte dieses Ziel zumindest anstreben und sein Bestes geben, und Lehrer, Schulkameraden und die Gesellschaft sollten dabei helfen. Es gab rigorose Richtlinien, und der Fortschritt jedes Einzelnen wurde überwacht, damit man sich mit der Zeit steigerte, sozusagen ein besserer Mensch wurde.
    Inbegriffen war natürlich die unausgesprochene hässliche Kehrseite der Medaille: die negative Verstärkung. Wer nicht mitkam, wurde bestenfalls gehänselt, schlimmstenfalls schikaniert.
    Ich schlage deshalb nicht vor, dass wir Jugendliche, die nicht kochen können, in einem Kreis von Rabauken mit Hartgummibällen bewerfen lassen, bis sie weinen - zu meiner Zeit die übliche Strafe für der »Spackheit« bezichtigte Mitschüler.
    Aber ich glaube, dass Kochgrundkenntnisse eine Tugend sind, und dass die Fähigkeit, sich selbst und andere angemessen zu ernähren, jedem jungen Mann und jeder jungen Frau beigebracht werden sollte. Sie sollte in der Erziehung denselben Stellenwert einnehmen wie die Fähigkeit, sich den Hintern abzuwischen, allein eine Straße zu überqueren oder mit Geld umzugehen.
    Damals, in den düsteren alten Zeiten, wurden Mädchen und junge Frauen automatisch in Hauswirtschaftskurse gesteckt, wo man ihnen eintrichterte, dass Kochen für jede
verantwortungsbewusste Bürgerin - oder, besser gesagt, jede nützliche Hausfrau - unverzichtbar sei.
    Als die Frauen die naheliegende Frage »Warum ich und nicht er?« stellten, war das der Anfang vom Ende des institutionalisierten Kochunterrichts. Frauen sahen nicht mehr ein, dass sie nur aufgrund ihres Geschlechts dazu geschaffen sein sollten, Bedienstetentätigkeiten zu verrichten, und lehnten diese Rolle zu Recht ab. »Hauswirtschaftslehre« wurde zum schillernden Symbol für alles, was in der Geschlechterpolitik jener Zeit schiefgelaufen war. Da sie als Instrument der Unterwerfung galt, wurde sie rasch zum Anachronismus. Wer als

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