Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
aufgeklärte junge Frau kochen konnte oder es gar mit sichtlicher Freude tat, sollte sich was schämen, war es doch ein Ausdruck der einstigen Knechtschaft.
Die Männer sprangen nicht in die Bresche, denn Kochen war etwas »für Mädchen« oder, schlimmer, »für Schwule«.
Das führte allerdings dazu, dass Ende der Sechzigerjahre niemand mehr kochte. Und wie Gordon Ramsay vor einiger Zeit ohne Umschweife erklärte, wusste bald auch niemand mehr, wie es geht.
Vielleicht haben wir da in einem wichtigen historischen Moment nicht aufgepasst. Als wir die Hauswirtschaftsschulen dichtmachten, ging uns womöglich eine Chance durch die Lappen. Statt die verpflichtenden Kochkurse für junge Frauen abzuschaffen, hätte man einfach auch den Männern das Kochen beibringen sollen.
Es ist noch nicht zu spät.
So, wie das Reiten, das Bogenschießen und der Umgang mit Sprache früher als unentbehrliche »männliche« Kulturtechniken
galten, die jeder aufstrebende Gentleman zu erlernen hatte, so könnte es sich auch mit dem Kochen entwickeln.
Der Jugendliche, der kein Hühnchen braten kann, wird dann möglicherweise der »Spack« von morgen sein (wobei er vielleicht nicht gerade einen Ball an den Kopf bekommen sollte, wenn er die Buttersauce anbrennen lässt). Durch frühzeitigen Unterricht und einen sanften, aber hartnäckigen Gruppenzwang könnten jeder Junge und jedes Mädchen beim Verlassen der Schule soweit sein, dass sie wenigstens für sich und ein paar Gäste kochen können.
An der Uni und am College, wo das Geld meist knapp und gutes Essen rar ist, stieße die Fähigkeit, für Freunde ein anständiges Gericht auf den Tisch zu bringen, wahrscheinlich auf einige Bewunderung. Es könnte dann durchaus gang und gäbe sein, dass jede und jeder einen kleinen, aber brauchbaren Schatz an Spezialitäten hat, die sie oder er für Kommilitonen kochen kann.
Kochen ist heute wieder »cool«. Deshalb ist es vielleicht an der Zeit, dass Nichtkochen »uncool« wird - und dass dies mit möglichst rigorosen Methoden, körperliche Gewalt ausgenommen, vermittelt wird.
Lasst uns also dieser neuen Tugend Gestalt geben.
Welchen Aufgaben sollte jeder junge Mann, jede junge Frau gewachsen sein, will er oder sie sich als erwachsen betrachten?
Welche Handgriffe sollten wir, so sie wirklich beherrscht werden, als besondere Fertigkeiten bewundern, die einen Menschen als ganzheitliches, tiefgründiges und interessantes Individuum hervorheben?
Was sollte - in einer strahlenden, glücklichen, vollkommenen Welt von morgen - jeder Mann, jede Frau, jeder Jugendliche bewerkstelligen können?
Sie sollten eine Zwiebel hacken können. Grundkenntnisse vom Umgang mit dem Messer sollten Pflicht sein. Ohne sie sind wir nichts, Schiffbrüchige mit Konservendosen - aber ohne Dosenöffner. Unnütz. Das A und O ist die Fingerfertigkeit mit einem scharfen Gegenstand - ein solches Ding so zu handhaben, dass man seine Arbeit ohne Verletzungen erledigen kann. Schneiden, schleifen, pflegen, und ein wenig würfeln, hacken und schnetzeln. Nichts Dramatisches. Nur genug Übung, um es mit der nächstbesten sizilianischen Großmutter aufnehmen zu können.
Jeder sollte in der Lage dazu sein, ein Omelett herzustellen. Die Zubereitung von Eiern ist immer ein guter Anfang, sind diese doch die erste Mahlzeit des Tages, und zudem bildet jemand, der ein Omelett zu machen lernt, sich nicht nur in Kochfertigkeiten, sondern auch seinen Charakter. Man lernt, ganz zwangsläufig, was Sanftheit ist, wenn man sich das Omelettmachen aneignet: Ein gewisses Maß an Feinfühligkeit ist gefragt, will man verstehen, was in der Pfanne vor sich geht und wie man sich dazu verhält.
Es ist nur recht und billig, dieser Überzeugung bin ich schon lange, dass man, noch bevor man zum ersten Mal mit jemandem schläft, in der Lage sei, diesem Jemand, falls verlangt, am Morgen danach ein Omelett zu machen. Also sollte man das Omelettmachen vielleicht dann erlernen, wenn man auch das Vögeln lernt. Eine unausgesprochene Übereinkunft könnte dahin gehend bestehen, dass der erfahrenere der beiden demjenigen, der seine Unschuld verloren hat, ein
Omelett zubereitet, um diese Fertigkeit in einem wichtigen und womöglich denkwürdigen Moment weiterzugeben.
Jeder sollte ein Hühnchen braten können - und zwar gut. Angesichts des traurigen Zustands, in dem sich die Grillaktivitäten in unseren Gärten befinden, sollte die Anleitung zum richtigen Grillen und Ruhenlassen eines Steaks ganz vorn auf der
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