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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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irrte, sah sie draußen in der Bucht zwischen den schwarz und verschwommen aufragenden Zacken der Felsen schwankende Lichter auf und nieder tanzen.
    Sie zog die Decke bis zum Kinn und blieb reglos in ihrem Bett hocken. Wieder ertönten dunkle Rufe und verrollten im Nichts.
    Was geschah dort draußen? Und was geschah mit ihr? Es fröstelte sie bis auf den Grund ihrer Seele und obwohl sie sich getrieben fühlte, aufzuspringen und bei ihrer Mutter Zuflucht zu suchen, war sie nicht in der Lage auch nur ein Glied zu rühren, sondern saß wie angenagelt in ihren Kissen und starrte ängstlich auf das Meer, welches ihr noch nie so fremd und bedrohlich erschienen war.
    Nur ihr Gehirn funktionierte noch einigermaßen und ihr Verstand sagte ihr, dass es für dieses seltsame Geschehen in der Bucht ganz gewiss eine sehr simple natürliche Erklärung gab. Aber welche?
    So weit sie sich zurückerinnern konnte, war sie im Haus ihres Großvaters noch nie mitten in der Nacht aufgewacht und sie hatte auch noch nie etwas nur annähernd Ähnliches erlebt. Aber das hieß ja ebenfalls nicht, dass es etwas Unnatürliches war, was da draußen vor sich ging. Auch wenn sie an den Gruselschocker The Fog denken musste. Genau dieser Gedanke jedoch machte ihr klar, wie albern sie sich benahm. Das Leben war keine Seifenoper und schon gar kein Gruselfilm. Sie musste sich einfach ein wenig zusammenreißen und einen klaren Kopf behalten, dann würde sie auch herausfinden, was das für ein seltsames Phänomen war und vermutlich über ihre Ängstlichkeit lachen.
    Yuna stieg also vorsichtig aus dem Bett und schritt auf nackten Sohlen zur Balkontür. Vielleicht ließ sich so genauer erkennen, was die Ursache der Lichter und Rufe war. Da die Scheibe beschlagen war, fasste sie sich ein Herz und öffnete die Tür ein wenig. Als sie durch den Spalt lugte, bot sich ihr ein atemberaubender Anblick.
    Das Wasser war absolut schwarz und ruhig. Kein Lüftchen schien zu wehen. Aber die ganze Bucht war von einer grauweißen Nebelbank ausgefüllt, deren unterer Saum dicht über der Wasserlinie lag. Und in diesem Nebel blitzten immer wieder geisterhafte Lichter auf. Erneut ertönten Rufe, kurz und hohl und wurden sogleich vom Nebel wieder verschluckt.
    Ihr war immer noch kalt, eiskalt, so kalt, dass sie dachte, ihr Herz würde in der Kältestarre, die ihren Körper befallen hatte, aufhören zu schlagen.
    Eine alte Geschichte ging ihr durch den Sinn, die ihr Großvater ihr, als sie noch ein Kind war, immer wieder erzählen musste, weil es sie dabei so schön gruselte. Sie handelte von den toten Seelen Ertrunkener, die nachts als Irrlichter über dem Meer schwebten und den Lebenden ein letztes Lebewohl zuriefen. Nun fand sie diesen Gedanken ausgesprochen irritierend und versuchte ihn fröstelnd fortzuschieben. Obwohl sie einen starken Sog verspürte, auf den kleinen Balkon hinauszutreten, widerstand sie dieser Versuchung und riss sich nahezu gewaltsam von dem absorbierenden Anblick los. Sie schlug die Fenstertür zu und legte gehetzt den Riegel vor. Fluchtartig verließ sie ihr Zimmer, schaltete das Flurlicht an und ging dann etwas ruhiger ins Bad, um sich ein Glas Wasser zu holen. Sie trank es in hastigen Zügen leer.
    Emory lag leise schnorchelnd auf seiner favorisierten Treppenstufe. Sie rief nach ihm, aber er schien in einen Tiefschlaf versunken und rührte sich nicht. Von wegen Hunde haben einen leichten Schlaf! Sie musste unwillkürlich über ihn schmunzeln, denn er hatte eins seiner Ohren über die Augen gelegt, was wirklich lustig aussah. Wenn Hunde ein Sensorium für übernatürliche Wahrnehmungen haben, dann war das bei Emo wohl nicht sehr ausgeprägt, dachte sie, oder es gab nichts Übernatürliches wahrzunehmen. Eine durchaus wünschbare Alternative. Allerdings vermochte sie nicht zu sagen, ob sich diese spezielle Fähigkeit auch bei schlafenden Hunden zeigte. Also beschloss sie die Probe aufs Exempel zu machen und stieg die wenigen Stufen zu Emory runter und rüttelte ihn wach.
    „He, du Schlafsack, wach auf! Du musst mich beschützen! Und …äh… ich brauche deinen sechsten Sinn…“ War sie nicht vielleicht ein bisschen albern?
    Der Hund fuhr erschrocken hoch und wäre beinahe von der Treppenstufe gerollt. Sie fand nun, dass sie sich wirklich unreif benahm und zwang sich einen Gang runter zu schalten. Es tat ihr leid, dass sie den Hund aufgeweckt hatte, denn er sah sie reichlich anklagend an. Vermutlich hatte er von einer bezaubernden Dorfschönheit

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