Ein bretonisches Erbe
könnte. Du hast es genau richtig gemacht, mein Kind. Man muss seinem Herzen folgen, dann gelingt auch das Leben.“
Yuna schwieg zu diesen Worten. Sie brachte es einfach nicht über sich, den Abschied mit ihren Zweifeln zu vergiften, wollte aber ihrer Mutter auch nichts vorspielen.
„Grüß Julien von mir“, sagte Monika Lindberg als sie ins Auto stieg. „Er soll gut auf dich aufpassen.“
Yuna lächelte gequält, was ihrer Mutter aber nicht auffiel, und sagte: „Ich werde es ihm ausrichten, aber ich glaube, ich bin allmählich groß genug, um selber auf mich aufzupassen.“
Ihre Mutter lachte. „Ja, da hast du wohl recht!“ Sie beugte sich zu einem letzten Abschiedskuss aus dem Fenster, lies das Auto an und brauste mal wieder mit viel zu hohem Tempo vom Hof.
Ich liebe sie, dachte Yuna, sie ist die beste Mutter der Welt und sie war nun doch ein wenig traurig, dass sie fort war.
Dem Hund schien es ähnlich zu gehen, denn er schaute mit eingekniffenem Schwanz immer noch dem längst verschwundenen Auto hinterher.
„Komm, alter Spezi“, sagte Yuna daher betont fröhlich, so wie sie es als Teeny gemacht hatte, wenn die Eltern aus dem Haus waren, „endlich haben wir sturmfrei und können hier mal die Bude auf den Kopf stellen!“
Julien ließ sich den ganzen Tag nicht blicken. Genau wie Yann nach seinen lasterhaften Ausschweifungen mit anderen Frauen um Gaud einen Bogen machte, schien auch ihn das schlechte Gewissen von Yuna fern zu halten. So betrunken war er schließlich nicht gewesen, dass er nicht hätte begreifen können, was da zwischen ihnen am vorhergehenden Abend zu Bruch zu gehen drohte.
Aber statt nun mit einer geklauten Rose an ihre Tür zu klopfen und um Verzeihung zu bitten, kniff er lieber und tauchte gar nicht erst auf. Hoffte er, dass so Gras über sein schlechtes Benehmen wachsen würde? Männer!
Yuna hatte keine Lust Julien zufällig am Strand zu begegnen, wohlmöglich auch noch in Begleitung seiner Freunde, also beschloss sie, mit dem Hund eine Wanderung auf dem Sentier zu unternehmen, der direkt hinter dem Haus begann und bis zum Plage Martin verlief, einer abgelegenen und idyllischen kleinen Bucht mit einer vorgelagerten Insel mit einem großen weißen Kreuz. Wahrscheinlich einem Witwenkreuz, wie es in Lotis Islandfischern beschrieben war.
Es gab viele davon hier in der Gegend, denn von jedem der Küstenorte war man im 19.Jahrhundert zum Fischfang ins Eismeer aufgebrochen, und aus fast jedem Ort hatten dort Sturm und raue See Frauen zu Witwen gemacht, die an einem solchen Kreuz vergeblich nach ihrem Liebsten Ausschau gehalten hatten.
Jetzt wo sie dieses immer spannender werdende Buch las, drängte es sie, das Kreuz noch einmal anzusehen.
Der Hund freute sich riesig, aber sie musste ihn schließlich an die Leine nehmen, weil er viel zu unbesonnen herumtollte und der Weg teilweise gefährlich nah an der Klippe entlang führte, die sehr schroff zum Meer hin abstürzte. Blaue Glockenblumen wuchsen am Wegrand und duftender Thymian und Heckenrosen. Hin und wieder standen mächtige Pinien und Zirbelkiefern dicht an der Abbruchkante und boten ein wunderschönes Fotomotiv, welches Yuna mit ihrer Handykamera festhielt.
Aber die meisten Fotos machte sie von den Skulpturen, die in loser Abfolge den Weg säumten. Sie waren alle von ihren Großvater geschaffen worden und die ersten hatten schon dort gestanden als sie noch ein Kind war. Bis zuletzt hatte ihr Großvater diesen Skulpturenweg erweitert und um neue Arbeiten ergänzt. Die letzte Plastik, die er im Sommer vor fünfzehn Jahren dort hatte setzen lassen, war eine ganz schlichte Stele mit einem keltischen Kreuz auf der Spitze, in die er nur wenige Worte in der ornamentalen Schrift des Book of Kells eingraviert hatte :
C´hwezhet an avec e-Lec´h ma Karo ,
das war Bretonisch und hieß so viel wie Der Wind bläst wohin er will! Und genau das erschien Yuna mal wieder als das Problem ihres Lebens.
Wolken waren aufgezogen und da bald schwere Tropfen aus ihnen auf sie herabfielen, musste sie umdrehen und schleunigst den Heimweg antreten. Dennoch war sie, als sie in An Triskell ankam, nass wie eine Katze, die in den Brunnen gefallen war, und musste sich erst einmal trockenlegen.
Der Hund hatte es besser, er schüttelte das Wasser einfach aus seinem zottigen Fell und suchte sich sofort ein warmes Plätzchen an der Heizung.
Yuna duschte und stellte dann fest, dass sie dringend einkaufen musste, denn ihr fehlten Kleidungsstücke zum
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