Ein bretonisches Erbe
können, und so war es ihr eher unangenehm, hier vor der versammelten Dorfclique mit Julien zärtlich zu werden. Einmal, weil sie bei diesen Dingen nicht auf Publikum stand und zum anderen, weil sie keine Garantie dafür übernehmen konnte, dass sie sich, einmal angezündet, nicht in einen Feuerball verwandelte, der sie alle Hemmungen fallen und sämtliche Regeln des Anstandes vergessen lassen würde.
Julien schien aber ihre Vorsicht als Ablehnung aufzufassen und darüber persönlich gekränkt zu sein. Offenbar wollte er ihr darum zeigen, dass er sich das, was sie ihm nicht geben wollte, leicht wo anders holen konnte.
So ließ er sie bald immer öfter alleine am Tisch sitzen und alberte an der Bar mit jeder jungen Frau herum, die in seine Nähe kam, und das waren einige. Wie es aussah, waren es überwiegend alte Bekannte, zu denen er schnell auch eine erstaunliche körperliche Nähe herstellte.
Er berührte sie unabsichtlich absichtsvoll und legte immer mal wieder lässig seinen Arm um eine Charlene oder Yvette oder beugte sich am Kicker von hinten über die schöne Louise und strich ihr die langen schwarzen Haare zurück, angeblich nur, um einen besseren Blick auf die rollende Fußballkugel zu haben.
Erst nahm Yuna die Sache nicht so wichtig, fand sein Verhalten lediglich ziemlich affig und schrieb es dem Alkohol zu. Dann aber begann es sie allmählich doch zu ärgern und sie fragte sich, ob er mit diesen Frauen nicht vielleicht in den vergangenen Sommern sogar intim gewesen war?
Was an sich ja für einen Single nicht unnormal gewesen wäre. Sie hatte schließlich auch nicht Socken strickend zu Hause vor dem Fernseher gesessen, nachdem die Sache mit Michael zu Ende war. Gut, die Vergangenheit war vergangen, die Gegenwart jedoch nicht und darum musste Julien sich in ihrem Beisein so nun wirklich nicht benehmen.
Die Situation erinnerte Yuna zudem fatal an eine Stelle aus den Islandfischern , wo Gaud sich in Sehnsucht nach Yann verzehrte und er mit anderen Mädchen und Frauen flirtete.
So wie Julien sich an diesem Abend aufführte, hatte sie bisher eigentlich nur Michael erlebt, wenn er mit den Kumpeln aus seinem Chapter auf ganz cool machte. Wann ist ein Mann ein Mann…?
Yuna trank resignierend einen letzten Drink. Sie war entschlossen, danach ihre Zelte abzubrechen. Das wurde heute Abend doch ohnehin nichts mehr mit Julien. Der fühlte sich hier wie der Hahn im Korb und schien sie längst vergessen zu haben. Sie war frustriert.
Okay, bei Michael da hatte sie gewusst, auf was sie sich einließ, jedenfalls in groben Zügen, aber von Julien hatte sie etwas anderes erwartet.
Sie merkte, dass die Situation sie bitter und vermutlich auch ungerecht und zynisch werden ließ. Zeit aufzubrechen. Auch wenn Männer alle gleich zu sein schienen, hieß das ja nicht, dass man als erwachsene und emanzipierte Frau nichts Besseres zu tun hatte, als sich von ihnen herabsetzen zu lassen. Sahen sie nur etwas gut aus und brachten einigermaßen anständigen Sex zustande, glaubten sie, sich alles herausnehmen zu dürfen. Aber nicht mit mir, dachte sie wütend. Und weil sie sich nun wirklich wie das fünfte Rad am Wagen vorkam, erhob sie sich, um sich zu verabschieden.
Dummer Weise kamen ihr, als sie Julien lachend zwischen einigen anderen Frauen an der Bar Witze reißen sah, auch noch Selbstzweifel. Merde! Sie wusste doch, dass sie ab einem gewissen Alkoholpegel im Blut dazu neigte in Depressionen zu verfallen und hatte sich eigentlich geschworen, vorher auf alkoholfreie Drinks umzusteigen.
Jetzt war es allerdings passiert und so musste sie sich mit der fast schon masochistischen Frage herumplagen, ob sie vielleicht doch nicht attraktiv genug für Julien war, weil sie nicht über so einen ausladenden Po wie Chantal und auch nicht so einen Silikon verstärkten Vorbau wie Yvette verfügte, also schlicht unterbestückt war.
Nein, witzig war an diesem Zustand gar nichts und je länger er währte, umso mehr Zweifel kamen an ihrem Glück mit Julien auf. War es nicht vielleicht nur eine einzige große Illusion, die jetzt bereits zu bröckeln begann?
Hatte die Außergewöhnlichkeit ihrer Wiederbegegnung an der Pointe du Raz sie für einander verklärt und auf eine völlig falsche Fährte gebracht? Möglichweise war keiner von ihnen in Wirklichkeit das, was der andere auf Grund dieser Umstände in ihm gesehen hatte? Die Enttäuschung also über kurz oder lang unvermeidlich? Hatte nicht auch ihr Großvater geschrieben: Nichts ist, was
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